Raumfahrt:Nationalpark auf dem Mond

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Die Mondfähre der Apollo-11-Mission im Jahre 1969 (Foto: dpa)

Um die Landestellen der Apollo-Missionen zu schützen, bevor andere Nationen oder gar Touristen dort ankommen, wollen zwei amerikanische Politiker die Gebiete zum Nationalpark erklären.

Von Jürgen Schmieder

Die Frage ist so absurd, dass kaum jemand ernsthaft darüber nachdenkt: Wem gehört der Mond? Vermutlich können nun viele Menschen eines dieser Zertifikate aus der Schublade holen, das sie geschenkt bekommen haben und das sie als Eigentümer eines kleinen Grundstücks auf dem Mond ausweist. Kaum einer von ihnen hätte wohl jemals versucht, seinen Besitzanspruch durchzusetzen. Doch jetzt hat in Amerika eine Diskussion begonnen, die sich mit vollem Ernst mit der Frage beschäftigt, wie sich Eigentumsverhältnisse auf dem größten Erdtrabanten regeln lassen.

Ein Blick ins internationale Recht scheint die Frage zu beantworten: Der Mond gehört niemandem, und niemand darf dort Besitz anmelden. Das haben die Vereinten Nationen 1967 im Vertrag über die Grundsätze zur Regelung der Tätigkeiten von Staaten bei der Erforschung und Nutzung des Weltraums (kurz: Weltraumvertrag) festgehalten. Und doch haben Donna Edwards und Eddie Bernice Johnson dem amerikanischen Kongress vor einigen Tagen den "Apollo Lunar Landing Legacy Act" vorgelegt. Die Stellen, an denen die Apollo-Astronauten zwischen 1969 und 1972 gelandet sind, sollen zu einem amerikanischen Nationalpark und später zum Weltkulturerbe erklärt werden.

Edwards und Johnson sind keine Spinner, sie vertreten die Bundesstaaten Maryland und Texas im amerikanischen Repräsentantenhaus. "Weil kommerzielle Unternehmen und andere Nationen die Fähigkeit erwerben, auf dem Mond zu landen, ist es notwendig, die Landestellen der Apollo-Missionen für die Nachwelt zu erhalten", sagt Edwards über den Gesetzesentwurf. Die Abgeordnete denkt weit voraus: Natürlich werden Weltraum-Touristen - wenn sie schon viel Geld bezahlen, um zum Mond chauffiert zu werden - einst auch zum Mare Tranquillitatis fahren und den Ort sehen wollen, an dem Neil Armstrong seinen großen Schritt für die Menschheit gemacht hat. Es ist zu befürchten, dass jemand darüber trampelt und diesen Fußabdruck verwischt. Oder die amerikanische Flagge und die Gedenk-Plakette klaut.

"Deshalb soll der Kongress diesen Artefakten den Status eines Naturparks verleihen und damit die Eigentumsrechte über diese Artefakte geltend machen", heißt es in dem Gesetzesvorschlag. Dem Weltraumvertrag zufolge hätte Amerika gar nicht das Recht, ein solches Gesetz u beschließen. Indes: Die USA, Russland und China haben den Weltraumvertrag niemals ratifiziert.

Mittlerweile wollen nicht mehr nur Staaten zum Mond oder zu Planeten wie dem Mars fliegen, sondern auch private Unternehmen. China, Indien und Japan haben bereits angekündigt, unbemannte Sonden zum Mond schicken zu wollen, und es gibt Firmen, die gerne nach Rohstoffen bohren würden - schließlich könnten einschlagende Meteoriten Platin und andere wertvolle Materialien enthalten. Im Wettbewerb um den Google Lunar X-Prize sind insgesamt 30 Millionen US-Dollar an Preisgeld ausgeschrieben für Teams, denen es bis 2015 gelingt, einen Roboter auf den Mond zu schicken, der mindestens 500 Meter weit fährt und dann Fotos auf die Erde schickt. Es gibt sogar einen Sonderpreis von vier Millionen Dollar für den, der ein Objekt fotografiert, das von Menschen zum Mond gebracht wurde, also ein amerikanisches Landemodul oder auch einen kaputten russischen Lunochod-Rover.

Die Nasa hat schon vor einem Jahr auf diese Aktivitäten reagiert und eine ganze Reihe an Forderungen aufgestellt. Neuankömmlinge sollen etwa zwei Kilometer von den Apollo-Landestellen entfernt aufsetzen, Roboter nicht näher als 100 Meter an die Apollo-11-Stellen und nicht näher als 225 Meter an die der Apollo-17-Mission heranfahren. "Ein falscher Schritt könnte diesen unbezahlbaren menschlichen Schatz zerstören", heißt es in der Nasa-Forderung.

Die Luft- und Raumfahrtbehörde würde die Artefakte gerne selbst untersuchen, weil sie womöglich wichtige Hinweise liefern, was mit einem Objekt von der Erde passiert, wenn es 40 Jahre lang den Bedingungen auf dem Mond ausgesetzt ist. Die Nasa kann jedoch derzeit, das hat sie auch gegenüber der Süddeutschen Zeitung klargestellt, niemanden zwingen, sich an diese Forderungen zu halten. Sie appelliert mit den Richtlinien an den Anstand und bittet darum, das Eigentum anderer Menschen zu respektieren.

Grundsätzlich gehört alles, was in den Weltraum geschossen wurde, dem, der es in den Orbit gebracht hat. Darin unterscheidet sich der Weltraum von den Weltmeeren, wo im Prinzip jeder aufgegebenes Eigentum eines anderen bergen und behalten darf. Allerdings umkreisen derzeit mehr als 300.000 Objekte die Erde, die größer sind als einen Zentimeter und die man nur als Abfall bezeichnen kann. Derzeit kümmert sich kaum jemand darum, die meisten verfahren nach dem Prinzip: nach uns der Meteoritensturm. Kaum auszudenken, was passieren wird, wenn es den Menschen tatsächlich gelingt, einen Weltraum-Bahnhof auf dem Mond zu errichten, der Touristen anzieht.

Das wird zwar noch viele Jahre dauern, doch es lohnt sich, schon jetzt darüber nachzudenken. Als warnendes Beispiel gilt der Mount Everest. Am 29. Mai 1953 bestiegen Edmund Hillary und Tenzing Norgay als erste Menschen den höchsten Berg der Welt. Schon zehn Jahre später schrieb der Bergsteiger Barry Bishop in der Zeitschrift National Geographic, dass Touristen den Berg zur "höchsten Müllkippe der Welt" verwandelt hätten. Es scheint, als wäre der Gesetzesentwurf von Donna Edwards und Eddie Johnson gar nicht so abwegig - und die Frage, wem der Mond gehört, weniger absurd, als sie zunächst klingt.

© SZ vom 24.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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