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Raumfahrt nach Armstrongs Tod:Die Zeit der Helden ist vorbei

Neil Armstrongs Name steht wie kein zweiter für die Erfolge der bemannten Raumfahrt. Spätestens seit der Marsmission "Curiosity" jedoch ist klar, dass künftige Großtaten unbemannt stattfinden werden. Trotzdem wird Armstrongs zentrale Botschaft bedeutsam bleiben.

Alexander Stirn

Manche Großtaten lassen sich am einfachsten in Zahlen fassen: 400.000 Menschen waren am US-Mondprogramm beteiligt, 25 Milliarden Dollar kosteten die Apollo-Flüge, zwölf Menschen setzten ihren Fuß auf den Erdtrabanten. Und nur einer von ihnen wird für immer mit dieser Leistung verbunden bleiben: Neil Armstrong, 1969 der erste Mensch auf dem Mond, der nun im Alter von 82 Jahren gestorben ist.

Die technischen und wissenschaftlichen Erfolge des Apollo-Programms, ja der gesamten bemannten Raumfahrt, sind weit schwerer zu fassen: Die Teflon-Pfanne, die immer gerne als Beispiel für Produkte herhalten muss, welche die Raumfahrt der Menschheit beschert hat, ist es sicherlich nicht - sie stammt bereits aus den Fünfzigerjahren. Satelliten und Navigationssysteme sind es auch nicht. Ohne sie würde die moderne Welt zwar nicht funktionieren, für ihre Technik musste aber kein Mensch ins All, geschweige denn zum Mond fliegen.

Das Apollo-Programm hat wohl, wie jedes Großprojekt, die technische Entwicklung vorangetrieben. Im Bordcomputer der Mondlandefähre, der mit seinem Speichervermögen von 74 Kilobyte heute mickrig erscheint, kamen zum ersten Mal integrierte Schaltkreise zum Einsatz - inzwischen die Grundlage der digitalen Welt. Ihren Strom bekamen die Raumschiffe von Brennstoffzellen. Seit Jahren versuchen Ingenieure, diese Technik auch in Elektroautos alltagstauglich zu machen.

Im Grunde hatten die Apollo-Flüge aber weder eine technische noch eine wissenschaftliche Motivation. Es ging darum, möglichst schnell einen Menschen auf den Mond zu bringen. Neil Armstrongs kleiner Schritt war daher nicht nur der Höhepunkt der bemannten Raumfahrt, sondern gleichzeitig auch der Anfang von ihrem Ende: Zwar hegten die Amerikaner in den Siebzigerjahren große Pläne für einen bemannten Flug zum Mars. Es war aber weder das Geld noch die Notwendigkeit für eine weitere historische Heldentat vorhanden.

Stattdessen entschieden sich die USA, einen Raumtransporter zu bauen, der Menschen und Material in eine niedrige Umlaufbahn um die Erde bringen sollte. Die billigen Linienflüge ins All, die sich die Amerikaner von ihrem wiederverwendbaren Spaceshuttle erhofften, wurden allerdings nie Realität. Das Konzept war unsicher, die Missionen waren teuer. Vergangenes Jahr, nach 30 Jahren und Kosten von etwa 170 Milliarden Dollar, wurden die Shuttles endgültig eingemottet.

Noch immer hängt die bemannte Raumfahrt damit in einer Höhe von 300 Kilometern über dem Erdboden fest - nicht einmal ein Tausendstel der Entfernung, die Armstrong 1969 zurückgelegt hat. Die Großtaten in der Raumfahrt werden längst auf andere Weise vollbracht: unbemannt, kollektiv, für relativ wenig Geld. Als vor drei Wochen der unbemannte Rover Curiosity auf dem Mars landete, hielt die Welt wieder den Atem an. Allerdings bejubelte sie dieses Mal keine singuläre Person, sondern ein Team.

Eines zeigen aber Curiosity wie Apollo: Wenn die Menschen wollen, ihre Kräfte bündeln, Visionen entwickeln und das nötige Geld in die Hand nehmen, lässt sich technisch fast alles erreichen. Es war diese Botschaft, die Neil Armstrong, der sich stets als Ingenieur und nie als Held empfunden hat, am Herzen lag.

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SZ vom 27.08.2012/mike
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