Raumfahrt - München:Bayerns Griff nach den Sternen: Raumfahrt-Gipfel geplant

Bayern
Matthias Weiand und Matthias Bode arbeiten an einem Teststand der Raktetentechnik-Gruppe. Foto: Warr E.V./WARR e.V./dpa (Foto: dpa)

Direkt aus dem dpa-Newskanal

München (dpa/lby) - Mit einer Raumfahrtkonferenz und Investitionen in Millionenhöhe will die bayerische Staatsregierung ihrem teils scharf kritisierten Weltraumprogramm neuen Schub verleihen. "Im neuen Jahr werden wir einen Raumfahrt Summit in Bayern veranstalten und namhafte Experten einladen", kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) an. "Wir bringen nicht nur Wirtschaft, Wissenschaft und junge Talente zusammen, sondern machen das Thema Raumfahrt auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich." Details zur Konferenz seien in Planung.

Unter dem Schlagwort "Bavaria One" hatte Söder 2018 ein auf zehn Jahre angelegtes Luft- und Raumfahrtprogramm angekündigt, das kontrovers diskutiert wurde. Er will den Freistaat zum wichtigsten Standort der Branche in Deutschland machen. Zentrale Aspekte der Strategie sind eine schongegründete Fakultät an der Technischen Universität München (TUM) sowie die Forschung an Kleinsatelliten.

Damals hatte Söder Investitionen von mehr als 700 Millionen Euro über mehrere Jahre angekündigt. Im Etat für 2019 und 2020 sind dafür gut 30 Millionen Euro vorgesehen, was Spott von der Opposition auslöste.

"Zu Beginn haben noch viele gelächelt, heute fragen Experten aus der ganzen Welt nach unserem Raumfahrtprogramm", sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur in München. Er forderte mehr Vertrauen ein. "Wir wollen wieder Lust auf Fortschritt entfachen." Nach Angaben der Staatskanzlei will der Freistaat in den kommenden vier Jahren rund 90 Millionen Euro zusätzlich in den Bereich investieren, etwa die Hälfte davon in die neue Fakultät für Luftfahrt, Raumfahrt und Geodäsie.

Auf dem Campus in Taufkirchen/Ottobrunn läuft die Arbeit bisher nur langsam an. "Derzeit arbeiten dort zehn Mitarbeiter", sagte TUM-Sprecher Ulrich Marsch. Lehrstühle, Forschungseinrichtungen und die studentische Infrastruktur befänden sich weiterhin an den großen Standorten in Garching und München. Doch vieles ist im Umbruch.

Zum Wintersemester 2019 ist der Lehrbetrieb gestartet; ein neuer Masterstudiengang Aerospace ist mit 107 Studierenden angelaufen. Das seien mehr als doppelt so viele Anfänger wie im Vorgängerkurs, sagte Marsch. Durch Umgliederungen und Transfers aus anderen Fakultäten steht das Grundgerüst der Fakultät: 19 Professoren, mehr als 600 Mitarbeiter und rund 800 Studierende gehören schon dazu.

Ab kommendem Jahr sollen Büros, Labore und Seminarräume nach und nach umziehen. "In zehn Jahren soll in Taufkirchen/Ottobrunn ein Universitätscampus für bis zu 4000 Studierende, über 50 Professoren und einige Hundert Mitarbeiter entstehen", sagte Marsch. Fünf Berufungsverfahren liefen schon. 2021 soll ein englischsprachiger Bachelorstudiengang Aerospace mit 200 bis 300 Anfängern anlaufen - dann möglichst schon in Taufkirchen selbst.

Bayerns Wirtschaft bewertet die Entwicklung an der TUM positiv. "Der Erfolg der Branche basiert besonders auf einer leistungsfähigen Forschungslandschaft", sagte Bertram Brossardt, Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw).

Noch 2015 hatte der Arbeitgeberverband gewarnt, Bayern drohe in der Branche an Boden zu verlieren - und "sehr hohen Handlungsbedarf" angemahnt. Inzwischen fällt das Urteil des vbw-Chefs milder aus. Die Luft- und Raumfahrt gehöre zu den wachstumsstärksten Branchen in Deutschland und habe in Bayern "grundsätzlich gute Voraussetzungen".

"Das geplante Gesamtpaket in Höhe von 700 Millionen Euro kann Bayern eine führende Stellung insbesondere im Bereich der Satellitentechnik sichern", sagte Brossardt. Er hoffe, dass das Programm voll umgesetzt werde. Peter Schwarz vom Verein bavAIRia, der für die Staatsregierung das Cluster Aerospace betreut, forderte eine verstärkte Einbindung des Mittelstands.

Rund 150 Neugründungen hat der Freistaat der Staatskanzlei zufolge bereits unterstützt. Hört man sich in der Szene um, so spielt das bayerische Raumfahrtprogramm jedoch längst nicht für jeden eine Rolle bei der Standortentscheidung. Ausschlaggebend ist eher etwa die Nähe zu vorhandenen Firmen.

Mehr als 60 000 Menschen arbeiten bayernweit nach Regierungsangaben in der Luft- und Raumfahrt. Demnach zählt die Branche 550 Unternehmen mit einem Umsatzvolumen von elf Milliarden Euro. Söder betonte, mit der kürzlich verabschiedeten Hightech Agenda, die unter anderem auch Themen wie künstliche Intelligenz und Quantentechnologie fördern soll, wolle er dem "noch einmal neuen Schub" verleihen.

Letztlich hat die Hightech Agenda damit auch das alte Projekt "Bavaria One" geschluckt. Der Begriff werde nicht mehr verwendet, sagte ein Sprecher der Staatskanzlei.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: