Süddeutsche Zeitung

Raumfahrt:Hallo, großer Planet

Die Nasa-Sonde "Juno" erreicht ihr Ziel und umkreist nun Jupiter aus nächster Nähe. Astronomen wollen von ihr erfahren, wie der Himmelskörper entstand. Das könnte auch einiges über das Sonnensystem verraten.

Von Christian Endt

In New York und Washington zeigten die Uhren 11.53 pm. Sieben Minuten, bevor an der US-Ostküste der 4. Juli und damit der Feiertag zur Unabhängigkeit zu Ende ging, erreichte die Kontrollzentren der Nasa die Bestätigung aus dem All, dass die Raumsonde Juno erfolgreich in den Orbit des Jupiters eingetreten ist. Entsprechend patriotisch klang die Pressemeldung, die die Raumfahrtbehörde kurz darauf verschickte. Wenn die Amerikaner ins All fliegen, geht es seit Kennedy mindestens genauso viel um Nationalstolz wie um Wissenschaft.

Nach zwanzig Monaten soll sich "Juno" selbst ins Verderben stürzen

Aber auch aus wissenschaftlicher Sicht ist die Juno-Mission bedeutungsvoll. Nie zuvor kam eine Sonde dem größten Planeten des Sonnensystems so nahe. Am 5. August 2011 startete Juno in Cape Canaveral, Florida, glitt anschließend knapp fünf Jahre durch den Weltraum, legte dabei etwa 2,7 Milliarden Kilometer zurück und zündete schließlich zum richtigen Zeitpunkt ihr Haupttriebwerk, um abzubremsen und in die Umlaufbahn des Jupiters einzubiegen. Den soll sie jetzt in zwanzig Monaten 37-mal umkreisen und sich anschließend mit einem suizidalen Sturz in den heißen Gasplaneten selbst entsorgen.

Bis dahin bleibt einiges zu tun. Es gibt eine Menge, was Astronomen gerne über Jupiter erfahren würden: Wie ist der Planet entstanden? Da Jupiter vermutlich der erste Planet im Sonnensystem war, hoffen Astronomen von ihm auch etwas über dessen Entstehung zu lernen. Wie sieht es unter Jupiters dichter Wolkendecke aus? Besteht der Planet komplett aus Gas, oder gibt es in seinem Inneren einen festen Kern? Wie viel Wasser enthält Jupiters Atmosphäre? Wie erzeugt er sein Magnetfeld, das etwa zehn- bis 20-mal stärker ist als das der Erde, fast bis zum Ring des Nachbarplaneten Saturn reicht und gigantische Polarlichter erzeugt? Zu diesen Fragen soll Juno Daten sammeln. Außerdem erhoffen sich Forscher von der Sonde neue Erkenntnisse über den sogenannten großen roten Fleck auf der Südhalbkugel. Dabei handelt es sich um einen gigantischen Sturm, der nicht zur Ruhe kommt und seit mehr als 300 Jahren beobachtet wird.

"Ich bin bereit, alle deine Geheimnisse zu entschlüsseln, Jupiter", twitterte das PR-Team der Nasa im Namen der Sonde am Dienstagmorgen unter Nasa-Juno. Etwa eine Milliarde Euro kostet die Mission laut Angaben der New York Times. Die für ihre Mission nötige Energie von etwa 500 Watt bezieht Juno großteils von der Sonne, von der sie so weit entfernt ist wie kein anderes solarbetriebenes Objekt zuvor, im Mittel etwa fünfmal weiter als die Erde. Damit das funktioniert, muss die Sonde ihre Solarpaneele ständig zur Sonne hin ausrichten. Solange genug Strom da ist und nichts kaputt geht, wird Juno Bilder und Messdaten zur Erde funken. Etwa 48 Minuten sind die Signale unterwegs.

Juno ist nicht die erste Mission, die den Jupiter erforscht. 1973 flog die Sonde Pioneer 10 in 130 000 Kilometer Abstand an dem Gasriesen vorbei, im Jahr darauf kam das Nachfolgemodell Pioneer 11 auf 43 000 Kilometer heran. 1979 gelangen den beiden Voyager-Sonden auf dem Weg in die Weiten des interstellaren Raumes im Vorbeiflug ein paar Schnappschüsse; Anfang des 21. Jahrhunderts machte die Sonde Cassini auf ihrem Weg zum Saturn weitere Bilder. Die einzige längere Beziehung hatte Jupiter bisher mit der Sonde Galileo, die von 1995 an acht Jahre um ihn kreiste und dabei vor allem seine vier größten Monde Io, Europa, Ganymed und Kallisto erkundete, aber auch eine Tochtersonde in die Jupiter-Atmosphäre abwarf.

Keiner dieser Raumgleiter näherte sich Jupiter dabei auch nur annähernd so weit wie nun Juno, die sich dem Planeten auf ihrer Bahn zeitweise bis auf 5000 Kilometer annähern soll. "Hätte Jupiter die Größe eines Basketballs, entspräche das einer Entfernung von 0,8 Zentimetern", schreibt die Nasa auf ihrer Website.

Jupiters Magnetfeld erzeugt Strahlung, die für die Elektronik der Sonde gefährlich ist

Diese Nähe machte nicht nur die Programmierung des Flugmanövers zu einer Herausforderung, sie birgt noch ein weiteres Risiko für Juno. Durch das starke Magnetfeld des Planten werden Elektronen beinahe auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt und bilden bedrohliche Strahlengürtel. Besonders gefährlich ist es an einer Stelle oberhalb des Nordpols von Jupiter, die Juno eine gute Stunde vor Eintritt in den Orbit passieren musste. Die dort umherschwirrenden energiegeladenen Teilchen drohten, die Elektronik der Sonde zu zerstören. Daher haben die Nasa-Ingenieure Juno mit einer speziellen Schutzschicht aus Titan versehen. Offenbar ist alles gut gegangen.

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Quelle:
SZ vom 06.07.2016
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