Raumfahrt:104 auf einen Streich

Indien schießt mehr Satelliten mit nur einer Rakete ins All als je zuvor. So unterstreicht Delhi seinen Anspruch, zu den führenden Weltraumnationen aufzuschließen. Das wichtige Argument: Wir machen es billiger als alle anderen!

Von Arne Perras

Kaum ein Volk kann sich für Rekorde aller Art so sehr begeistern wie die Inder. Ihre Vernarrtheit in das Guinnessbuch ist legendär. Und am Mittwoch um 9.28 Uhr Ortszeit gab es einen besonderen Grund zu feiern. Der indischen Raumfahrtbehörde ISRO ist etwas gelungen, was zuvor noch niemandem gelungen war: Von der Insel Sriharikota in der Bucht von Bengalen schossen die Techniker eine Rakete ab, die nicht weniger als 104 Satelliten auf einen Schlag in eine Erdumlaufbahn brachte. Bisher hielten die Russen den Rekord beim Aussetzen solcher Satelliten-Schwärme. 2014 hatten sie 37 Stück auf einmal hinaufgeschickt. Alle staunten. Doch nun haben die Inder Moskau noch überflügelt. "Ein stolzer Moment" übermittelte Premier Narendra Modi per Twitter.

Die indische Marsmission kostete weniger als der Hollywood-Film "Gravity"

Der jüngste Erfolg wird den Ambitionen in Delhi und Bangalore weiteren Schub ver-leihen. Und für Unternehmen in aller Welt hat der Ehrgeiz einen großen Vorteil: Indien ist auf dem Feld der Weltraummissio-nen unschlagbar billig. Aufgefallen war dies besonders vor zwei Jahren, als bekannt wurde, dass die südasiatische Marsmission "Mars Orbiter Mission" nur etwa ein Zehntel so viel kostete wie das Pendant der Nasa. Modi witzelte schon, dass sie es sogar billiger könnten als Hollywood. Zu jener Zeit kreisten George Clooney und Sandra Bullock im Drama "Gravity" um die Erde. Dessen Budget lag bei 100 Millionen US-Dollar, während Indien 74 Millionen ausgab, um eine Sonde zum Mars zu schicken. Unter anderem liegt das aber wohl auch daran, dass die Space-Techniker und Forscher auf dem Subkontinent keineswegs Spitzenverdiener sind.

Indian Space Research Organization puts in orbit its own weather

Ein Satellit tritt im Space Centre von Andhra Pradesh, Indien, seine Reise ins All an.

(Foto: EPA)

Von den 104 Satelliten, die jetzt neu im Umlauf sind, gehören nur drei den Indern, der Rest stammt aus anderen Staaten, die allermeisten aus den USA. Der Hauptsatellit zur Erderkundung mit hochauflösender Optik wiegt 714 Kilogramm, die anderen 103 sind sehr viel kleiner, sogenannte Nanosatelliten, sie kommen zusammen auf 664 Kilogramm. Spezialisten sprechen vom "Huckepack-Verfahren", durch das dutzende kleine, meist schachtelförmige Satelliten in die Rakete gepackt und später Stück für Stück in die Umlaufbahn entlassen werden können. Allein 88 dieser Geräte gehören der US-Firma Planet, die ihr Geschäft mit Bildern von der Erde macht. Ein Schweizer 5-Kilo-Satellit der Firma Space-Pharma soll vier wissenschaftliche Experimente unter Bedingungen der Schwerelosigkeit ermöglichen. Jeder einzelne Test kostet knapp 200 000 Dollar. Weitere Satelliten dienen der boomenden Telekommunikation.

Delhi ist fest entschlossen, die kommerzielle Kundschaft für den Transport von Satelliten künftig noch stärker nach Südasien zu ziehen, doch auch Japan und China streben mit großem Ehrgeiz ins All. Modi aber ist zufrieden, was sich auch auf das Budget niederschlägt. Kürzlich hat der Staat die Mittel der Weltraumbehörde um 23 Prozent aufgestockt.

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