Rauchverbot:Die diskrete Lobby der Raucher

Förderung im Verborgenen: Wie sich Zigarettenhersteller in den neunziger Jahren das Wohlwollen der Gastwirte sicherten.

Dietmar Jazbinsek und Felix Berth

Ein Rauchverbot in Gaststätten würde zahlreiche Wirte ruinieren - das behaupten jedenfalls führende deutsche Verbandsvertreter seit Jahren. Es wäre ein "Dolchstoß für die vielen kleinen Eckkneipen", warnt zum Beispiel Ernst Fischer, Präsident des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands, Dehoga. Die stellvertretende Hauptgeschäftsführerin des Dehoga, Ingrid Hartges, ist stolz, dass es dank ihrer Lobbyarbeit noch kein striktes Rauchverbot in der Bundesrepublik gibt: "Zehn Gesetzesinitiativen haben wir in den neunziger Jahren erfolgreich abgewehrt", sagte sie dem Branchenblatt Gastrotel im Juli 2005.

Raucher

Die Tabakkonzerne wollen den Rauchern "Wahlfreiheit" lassen.

(Foto: Foto: SZ)

Die Raucher und die Gastwirte: In Deutschland scheinen sie eine stabile Koalition zu bilden. Doch in dieser Koalition gibt es einen dritten Partner, einen stillen Teilhaber gewissermaßen: die Zigarettenhersteller. Zumindest in den neunziger Jahren finanzierte die Tabakindustrie Aktionen und Publikationen der Gaststätten-Verbände. Das zeigen Dokumente, die die Tabakindustrie nach einem Abkommen mit US-Bundesstaaten ins Internet stellen musste: Auf den Internet-Seiten www.library.ucsf.edu/tobacco finden sich sieben Millionen Dokumente mit mehr als 42 Millionen Textseiten, von denen einige belegen, wie gut die Zusammenarbeit der beiden Branchen funktionierte.

Etat von 100.000 Mark

So wird deutlich, dass schon in den achtziger Jahren eine intensive Zusammenarbeit zwischen Wirte-Verbänden und Tabakherstellern begann. Als damals die ersten epidemiologischen Untersuchungen über die Gefahren des Passivrauchens erschienen, war der Verband der Cigarettenindustrie (VdC) höchst beunruhigt. Auch die Einführung von Nichtraucherzonen in Kneipen und Restaurants erschien dem Verband als "Alarmzeichen", wie ein Manager intern feststellte. Die Lobbyorganisation der Tabakkonzerne gab deshalb eine Marktstudie in Auftrag, die nachweisen sollte, dass Raucher in Gaststätten mehr Geld ausgeben als Nichtraucher. Das Ergebnis der Forschungen durfte der Dehoga bei seiner Jahrestagung publizieren. Zufrieden stellte ein VdC-Referent danach fest, dass der Verband der Gastwirte eine eigene Kampagne startete. Das Motto: "Raucher sind die besseren Gäste."

Die Zigarettenindustrie ließ sich die Kontakte zum Gastgewerbe einiges kosten. Die Tabak-Info-Verlags GmbH, ein Ableger des VdC, bekam 1990 für die intern so genannte "Dehoga-Aktion" einen Etat von 100.000 Mark bewilligt. Drei Jahre später findet sich unter dem Kostenpunkt "Zielgruppe Verbündete / Maßnahmen Dehoga" erneut ein Betrag von 60.000 Mark. Der Dehoga streitet heute freilich ab, dass das Geld jemals beim Adressaten angekommen sei: "Keinen Cent, keinen Euro, keine Mark" habe ihr Verband von der Zigarettenindustrie erhalten, betonte Ingrid Hartges bei der Dehoga-Jahrespressekonferenz am 15. Mai 2006.

Lobbyisten auch in Brüssel

Doch bereits vier Tage danach gab der Verband eine Meldung heraus, die eine finanzielle Kooperation zumindest in der Gegenwart bestätigte: In der Deutschen Tabak-Zeitung verkündete der Hamburger Landesverband des Dehoga, dass in den Kneipen der Hansestadt nun Aufkleber verteilt würden, um den Nichtraucherschutz zu gewährleisten. Dieses "Pilotprojekt" werde von den Firmen British American Tobacco, Japan Tobacco International, Reemtsma und Tobaccoland unterstützt. Die Höhe der Finanzhilfe blieb freilich ungenannt.

Auch in Brüssel ließen die Tabakkonzerne in den neunziger Jahren ihre Lobbyisten arbeiten. Ein Strategiepapier des Marlboro-Produzenten Philip Morris gab die Parole aus: "Delay or defeat EU legislation" - auf deutsch: Nichtraucherschutz auf europäischer Ebene sollte "verzögert oder verhindert" werden. Wieder spielten die Interessenvertreter aus der Gastronomiebranche mit. Deren internationaler Dachverband Horeca forderte seine Mitglieder auf, sich gegen gesetzliche Einschränkungen des Zigarettenkonsums zu wehren; andernfalls drohten "leere Tische, wütende Gäste und der Verlust von Arbeitsplätzen und Einnahmen", so der Horeca-Chef Jochen Koepp, heute Ehrenmitglied im Präsidium des Dehoga, im April 1991.

Wie die Tabakindustrie die Verbände damals unterstützte, zeigt eine Liste des Philip-Morris-Managers Ulrich Crettaz. Darin zählte er auf, was dem Verband Horeca im Jahr 1995 finanziert wurde: "Neuer Verbandsprospekt, neues Konzept für das Verbandsmagazin, weltweite Kampagne zur Mitgliederwerbung, Veranstaltung eines attraktiven Jahreskongresses (Hongkong, 11. bis 19. September 1995)". Offenbar wollte die Tabaklobby den Funktionären zu einer glanzvollen Inszenierung ihrer Amtszeit verhelfen.

Die diskrete Lobby der Raucher

Auch der europäische Gastronomen-Verband Hotrec, dem der Dehoga angehört, kooperierte mit den Tabakkonzernen. Marguerite Sequaris, heute noch amtierende Geschäftsführerin des Hotrec, traf sich im Juli 1993 in einem Brüsseler Feinschmeckerrestaurant zum Hummer-Essen mit dem Philip-Morris-Mann Gerard Wirz, um die Publikation eines "Weißbuches" zu besprechen. Für diese Selbstdarstellung der europäischen Gastronomie bot Philip Morris einen Druckkostenzuschuss in Höhe von 20 000 Dollar an. Einzige Bedingung: Das Kapitel "Rauchen in der Öffentlichkeit" sollte von Autoren aus dem Haus Philip Morris geschrieben werden.

Der Gastgewerbeverband war einverstanden, wie Philip-Morris-Mitarbeiter zufrieden feststellten. Einzige Einschränkung, die in einem Gesprächsprotokoll vermerkt wurde: "Der Hotrec und seine nationalen Mitglieder fühlen sich nicht wohl dabei, wenn sie in der Öffentlichkeit mit Philip Morris in Verbindung gebracht werden. Die Unterstützung ist willkommen, sollte aber so diskret wie möglich gehandhabt werden."

Einen zugkräftigen Slogan für ihre Abwehrkampagnen ließ sich die Tabaklobby ebenfalls einfallen: "Courtesy of Choice" nannte sie eine Kampagne, deren Kernbegriffe sich auf deutsch mit "Höflichkeit" und "Wahlfreiheit" übersetzen lassen. Wieder beteiligte sich ein Verband der Gastronomen, die International Hotel Association (IHA). Allein für das Jahr 1994 plante der Marlboro-Konzern, mehr als 160 000 Dollar in die Zusammenarbeit mit der IHA zu investieren. Zufrieden stellte Philip Morris Ende 1994 fest, dass Bernd Geyer von der deutschen IHA-Sektion Interesse an dem "Courtesy of Choice"-Programm bekundet hatte und Unterstützung des Tabakkonzerns wünschte. Geyers Karriere hat dies nicht geschadet: Im Januar 2005 übernahm er als erster Deutscher das Amt des Hotrec-Präsidenten.

Botschaft in Berlin noch nicht angekommen

Ein Element von Kampagnen wie "Courtesy of Choice" ist die Propagierung von Ventilatoren und Luftfiltern. Mit nicht rauchenden Gästen gebe es keine Probleme mehr, sobald Hotels und Restaurants über moderne Belüftungsanlagen verfügten, so die Zigarettenhersteller. Dahinter steckt ein simples Kalkül: Jeder Gastronom, der Geld in Ventilationstechnik investiert, wird zum Verbündeten im Kampf gegen gesetzliche Regelungen, weil er seinen teuer erkauften Wettbewerbsvorteil nicht verlieren will. "Ein absolutes Rauchverbot würde für manchen Gastronom bedeuten, Investitionen ohne Nutzen getätigt zu haben", mahnte Helmut Otto, Dehoga-Präsident in NRW, im März 2005 im Fachblatt Gastrotel.

Derzeit versucht wieder einmal ein Parlamentarier, in Deutschland ein Rauchverbot durchzusetzen: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding plant einen Gruppenantrag für ein entsprechendes Gesetz. Doch nachdem Binding öffentlich machte, dass er allein in der SPD-Fraktion mit 50 Unterstützern rechnet, formierte sich Widerstand: "Es gibt schon jetzt eine Fülle von rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten, Nichtraucher vor den Folgen von Rauch zu schützen", sagte Unions-Fraktionsvizechef Wolfgang Bosbach (CDU) der Welt.

Er empfahl, "gemeinsam mit dem Hotel- und Gaststättenverband zu einer Regelung zum Schutz von Nichtrauchern zu kommen". Vielleicht könnte man dem Unionspolitiker einen Forschungsbericht als Lektüre empfehlen, der Ende 2002 in der Fachzeitschrift Tobacco Control erschienen ist. Dessen Fazit: "Wenn Gesundheitsexperten mit Verbandsvertretern des Gastgewerbes sprechen, so sollten sie sich klarmachen, dass sie es, von wenigen Ausnahmen abgesehen, mit Vertretern der Tabakindustrie zu tun haben."

In anderen europäischen Hauptstädten ist diese Botschaft angekommen, in Berlin noch nicht.

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