Putin und die Ökologie:Schikanen im Jahr des Umweltschutzes

Präsident mit Tiger - in Russland existiert Umweltschutz vor allem auf dem Paper und als TV-Show mit Hauptdarsteller Wladimir Putin

Präsident mit Tiger - in Russland existiert Umweltschutz vor allem auf dem Paper und als TV-Show mit Hauptdarsteller Wladimir Putin

(Foto: Reuters)

Wer in Russland über Umwelt, Demokratie und Korruption schreiben will, muss feststellen: Es gibt kaum noch freie Medien und auch Umweltjournalisten müssen mit Verfolgung rechnen. Während Naturschützer schikaniert werden, präsentiert sich Präsident Putin als Bewahrer der Schöpfung.

Von Grigori Pasko

Grigori Pasko ist Direktor der Stiftung für investigativen Journalismus in Moskau. International bekannt wurde er 1994 mit seinem Film "Zone besonderer Gefahr", der die illegale Verklappung von radioaktiven Abfällen durch die russische Pazifikflotte thematisiert. 1997 wurde Pasko deshalb wegen Staatsverrates verhaftet. Amnesty International erklärte ihn zum politischen Häftling. Ein Militärgericht verurteilte ihn zu vier Jahren Haft. Nach einem halben Jahr in einer Strafkolonie kam er frei. Er arbeitete für die Zeitung Nowaja Gazeta, gründete die erste Schule für Blogger in Russland und doziert seit Jahren an der Lomonossow-Universität in Moskau. 2007 erhielt er den Erich Maria Remarque-Friedenspreis der Stadt Osnabrück. Diesen Text hat er für das Magazin natur geschrieben.

Drohungen erhalte ich keine mehr. Ich kann wieder über alles schreiben. Allerdings nur in meinem Blog im Internet. Lange Zeit habe ich über Umweltprobleme berichtet und beispielsweise aufgedeckt, dass ein russisches Militärschiff Atommüll im Meer vor Japan verklappte. Zurzeit aber recherchiere ich über Unternehmer, die erpresst werden. Sie beauftragen mich, die Gründe herauszufinden. Wer in Russland erfolgreich ist, muss sich mit den Mächtigen gutstellen - ansonsten machen Steuerprüfer ihm das Leben schwer.

Meine Ergebnisse kann ich nur in meinem Blog veröffentlichen. In die Zeitungen gelangen sie nicht. Mein Name ist seit meinen Berichten über Umweltsünden für die meisten russischen Medien tabu.

Aus natur 6/2013

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  • natur 6/2013

    Der Text stammt aus der Juni-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation - mehr aktuelle Themen aus dem Heft 6/2013 auf natur.de...

Die staatlichen Sicherheitsapparate wissen das; es ist nicht zuletzt auf ihren Druck hin geschehen. Ich bin nicht der einzige Autor, der in Russland von Veröffentlichungen in der Presse abgeschnitten ist. Jeder, der über die Mächtigen schreiben will, über Umwelt, Demokratie und Korruption, kennt das Problem: Es gibt kaum noch freie Medien. Meinungsfreiheit existiert fast nur in den Blogs im Internet, vor allem im beliebten sozialen Netzwerk LiveJournal, wo jeder ein öffentliches Tagebuch führen kann, ferner in Diensten wie Twitter. Doch nach realistischen Schätzungen hat weniger als jeder fünfte Russe Zugang zum Internet. Die große Mehrheit ist davon ausgeschlossen.

Ganz gleich, ob unter Präsident Dmitri Medwedew oder unter Wladimir Putin: Süß ist das Leben für Publizisten in Russland nicht. Jeder bei uns erinnert sich an die Namen von engagierten Reportern, die ermordet wurden; Anna Politkowskaja, die über den Krieg in Tschetschenien berichtete, war nur die im Westen bekannteste. Andere erhielten Drohungen, wurden brutal verprügelt oder in Strafprozesse verwickelt. Ich selbst musste für ein halbes Jahr in ein Lager.

Es ist schon paradox. Journalisten, die über Umwelt- und Naturschutz berichten, müssen mit Verfolgung rechnen. Aber gleichzeitig präsentiert sich Putin als großer Bewahrer der Schöpfung. Wer erinnert sich nicht an die Fernsehbilder, die um die Welt gingen: Putin flog in einem motorisierten Drachen einer Gruppe von Nonnenkranichen voraus, um ihnen den Weg zu weisen. Er inszeniert sich als Freund von Walen, Tigern, Hunden, Küken und anderen Tieren. Für mich sind das PR-Aktionen; zugegeben, manchmal durchaus erfolgreiche, indem er zumindest auf die Bedrohung dieser Arten aufmerksam macht. Meistens wirken sie jedoch lächerlich. Einmal sagte Putin sogar, wenn er in Rente gehe, möchte er Ökologe werden.

Natürlich ist das völliger Unsinn: Denn warum verwässert er dann Gesetze, mit denen sich die Zerstörung der Natur begrenzen ließe?

2013 ist in Russland offiziell als Jahr des Umweltschutzes und der ökologischen Bildung ausgerufen worden. Schaut man sich das staatliche Programm genau an, bleibt wenig Konkretes übrig. Vielmehr handelt es sich nur um Beratungen, Symposien, Ausstellungen, Vorlesungen und Runde Tische, Messen, Aufbau von Hotlines, Feiertage, Jugendlager, Thementage. Immerhin findet eine Konferenz zu den Umweltproblemen am Baikalsee statt, in den Zellulosewerke ihr schmutziges Wasser einleiten. Lediglich ein einziges Projekt widmet sich dem konkreten Umweltschutz: die Einführung der Mülltrennung in Russland.

Antispionage-Gesetz gegen Umweltschützer

Für Umweltschützer ist es schwierig, sich zu engagieren. Schuld daran sind nicht zuletzt zwei im vergangenen Jahr verschärfte Gesetze: Zum einen sind Nichtregierungsorganisationen nun noch strengeren Reglementierungen unterworfen als zuvor. Wenn sie Gelder aus Europa oder den USA erhalten, können ihre Mitglieder als ausländische Agenten angeklagt werden. Zum anderen wurde das Antispionage-Gesetz ausgedehnt. Immer öfter beruft sich der Geheimdienst nun auf dieses Gesetz - auch wenn es sich um Umweltthemen handelt. Mittlerweile verließen erste Naturschützer das Land, um einer Verfolgung zu entgehen.

Beispielsweise mein Bekannter Suren Gazaryan, der seit Januar in Estland lebt. Er leitete lange Zeit die Organisation "Öko-Wachschutz", die regelmäßig meldete, wenn wieder einmal in einem Naturschutzgebiet illegal Villen gebaut wurden - wie es auch Putin und andere hochrangige Staatsdiener getan haben.

Gazaryan hatte sich auch mit den Vorbereitungen zur Winterolympiade 2014 in Sotschi befasst und Bauprojekte angeprangert, die Naturschutzgesetze verletzten oder die in Naturparks errichtet wurden. Im Februar 2011 war er vor Ort in der am Schwarzen Meer gelegenen Region Krasnodar - und zog sich endgültig den Unmut der Mächtigen zu. Denn zusammen mit anderen Aktivisten hatte er versucht, eine Villa des dortigen Gouverneurs zu betreten, die verbotenerweise in einem Naturschutzgebiet liegt. Die Aktivisten schrieben auf den Zaun, der Gouverneur sei ein Dieb und der Wald kein Privatbesitz. Gazaryan wurde angeklagt, weil er den Zaun beschmiert und das Grundstück betreten hatte. Die Medien, die über den Fall berichteten, erwähnten bezeichnenderweise nie, dass die Villa in einem Naturschutzgebiet liegt.

Grigori Pasko

Umweltjournalist Grigori Pasko war wegen seiner Arbeit ein halbes Jahr in einer Strafkolonie

(Foto: Dirk Schneider/oh)

Ich habe mehrfach mit Suren Gazaryan gesprochen, meistens telefonisch. Er erzählte mir, warum er Russland verlassen hat. Die Behörden hätten mit ihm reden wollen; er sei jedoch misstrauisch geworden, als man ihn ins sogenannte Zentrum für Ermittlungen gegen Extremisten vorlud. Im Januar floh er aus Russland und ließ Frau und Kinder zurück.

Kritische Situation für Umwelt und Aktivisten

Aus meiner Sicht ist seine Flucht konsequent. Aber leider findet er selbst im Exil in Estland keine Ruhe. Denn daheim üben Behörden nun enormen Druck auf seine Familie aus. Erst vor Monaten drohten Beamte aus dem Mordkommissariat seiner Frau mit einer Hausdurchsuchung. Ich sehe darin ein typisches Beispiel der Einschüchterung: Der Umweltschützer wird als Extremist behandelt. Dass plötzlich Beamte vom Mordkommissariat auftauchen, soll ihm und seinen Nächsten Angst machen.

Wir Umweltschützer sind aus solchen Gründen zuvorderst damit beschäftigt, unsere Organisationen überhaupt am Leben zu erhalten. Vielleicht sind deshalb unsere Themen auch in der Öffentlichkeit nicht mehr so präsent. Dabei gibt es genug. Sie reichen vom atomaren Abfall bis zur Naturzerstörung in Gebieten, in denen Bodenschätze, etwa Gold, abgebaut werden. In vielen Regionen Russlands entstehen immer größere ökologische Probleme: Nickelminen beispielsweise belasten die Böden nahe der westrussischen Stadt Woronesch, auf der Kola-Halbinsel nahe Finnland und auf der Taimyrhalbinsel im hohen Norden.

Die Aktivisten der internationalen Organisation Bellona berichten, dass man in einigen Regionen Russlands die Situation nur noch als kritisch bezeichnen kann. Selbst nach staatlichen Angaben gelten 15 Prozent unseres Bodens als ökologisches Katastrophengebiet; mit anderen Worten: Dort darf nichts mehr angebaut werden, die Landwirtschaft liegt brach, die Natur gilt als so schwer belastet, dass die menschliche Gesundheit gefährdet ist. Ferner ist die Luft in 135 russischen Städten extrem verschmutzt. Und noch ein Problem: 30 Milliarden Tonnen Müll liegen auf Deponien und werden kaum weiter recycelt. Solche Themen würden wir gerne bekannter machen.

Als eines der größten Probleme sehe ich allerdings die Geheimniskrämerei der Behörden. Die Liste der Daten, die seit vergangenem Jahr als Staatsgeheimnis gelten, ist unglaublich weit gefasst: Darunter fallen Informationen über Atomenergie, den Wasserkreislauf der Erdatmosphäre und die Erforschung unseres Planten aus dem Weltall. Es wird also immer schwieriger, an Informationen zu kommen.

In der Politik profiliert sich vor allem Jabloko als Partei für Ökofragen. Ihr Gründer Aleksei Jablokow hat deren grüne Fraktion stark gemacht. Er ist legendär. Einst hat er die russische Sektion von Greenpeace gegründet, war Umweltberater von Gorbatschow und Jelzin und erhielt international Anerkennung, als er eine Nuklearverklappung aufdeckte. Seine Partei debattiert konstruktiv über die Umwelt. Sie hat eine Übersicht ökologischer Probleme aus 20 Regionen Russlands vorgelegt und schlägt Wege zu ihrer Lösung vor.

Ich möchte noch ein Problem hervorheben, das uns zunehmend belastet und das zeigt, wie sich unser Staat die Zukunft des Naturschutzes vorstellt: Es treten immer mehr Pseudo-Umweltgruppen in der Öffentlichkeit auf. Mein Eindruck ist, dass sie von den Mächtigen initiiert und aufgebaut werden. Sie sollen ökologische Themen vertreten, die der Regierung passen. Es geht dabei aber nur darum, ein Ventil zu schaffen.

Für nichtstaatliche Gruppen wird es hingegen immer schwieriger. Repression geschieht meist nicht brachial, sondern mit bürokratischen Mitteln. Ein Beispiel: Im September 2011 traf sich die Organisation "Umweltwache für Nordkaukasus" in einem Erholungsheim. Plötzlich erhielt die Verwaltung des Heims von der Polizei folgende Aufforderung: "Aufgrund einer dienstlichen Notwendigkeit, im Rahmen der Durchführung einer operativ-vorbeugenden Veranstaltung Kurort-2011, bitten wir Sie, eine Liste mit sämtlichen Gästen Ihres Heims zusammenzustellen. In der Antwort müssen unbedingt Name, Familienname, Vatersname, Geburtsdatum, Wohnadresse und Passdaten erfasst sein."

Aus natur 6/2013

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  • natur 6/2013

    Der Text stammt aus der Juni-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation - mehr aktuelle Themen aus dem Heft 6/2013 auf natur.de...

Man muss wissen, dass Jewgenija Tschirikowa zu den Organisatoren dieses Treffens zählte. Sie ist eine der bekanntesten Umweltschützerinnen. Unter anderem führt sie eine Bewegung zur Bewahrung eines Waldes an, der nahe der Stadt Chimki liegt, nordwestlich von Moskau. Seit Jahren werden dort luxuriöse Datschen errichtet - auch von unserem Präsidenten. Im Sommer 2006 hatte sie im Wald auffällige Markierungen an Bäumen entdeckt. Im Internet fand die Ingenieurin dann eine Verfügung, dass diese Bäume für eine Autobahn Moskau - St. Petersburg gefällt werden. Der Streit ist kompliziert. Denn die Gesetze sind widersprüchlich. Es gab große Proteste der Bürger, aber letztlich wird die Schnellstraße gebaut.

Immerhin ist es Tschirikowa gelungen, gemeinsam mit dem Chefredakteur einer lokalen Zeitung, Michail Beketow, die Menschen in der Stadt Chimki zu informieren. Tschirikowa ist seither eine feste Größe in der russischen Umweltszene, und es adelt sie, dass sie vom Massenblatt Komsomolskaja Prawda als "Furie" beschimpft wird.

Beketow aber musste einen hohen Preis zahlen: Er wurde so brutal verprügelt, dass er heute körperlich behindert ist. Ich habe wenig Zweifel, dass seine öffentliche Kritik auf diese Weise bestraft wurde. Beketow ist nicht der Einzige. 2010 wurde Oleg Kaschin von Unbekannten mit Baseballschlägern überfallen. Er ist Redakteur der renommierten Zeitung Kommersant und hatte über die Proteste berichtet.

Wir russischen Umweltschützer sehen uns unter großem Druck. Jewgenija Tschirikowa mahnt deshalb treffend: "Russland darf nicht am Rande der Zivilisation verharren."

Aus dem Russischen von Viktor Funk.

Der Text stammt aus der Juni-Ausgabe von natur, dem Magazin für Natur, Umwelt und nachhaltiges Leben. Er erscheint hier in einer Kooperation - mehr aktuelle Themen aus dem Heft 6/2013 auf natur.de.

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