Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Wie Aberglaube hilft

Immer mit dem rechten Fuß zuerst auf das Spielfeld - natürlich in der Glücksunterwäsche. Gerade Sportler sind häufig abergläubisch. Und das hat seinen Grund.

Markus C. Schulte von Drach

Wenn die deutschen Nationalspieler am Mittwoch gegen Ghana antreten, dann würde es vielleicht ihre Leistung steigern, wenn sie in den Trikots der Siegermannschaft von 1990 oder 1974 spielen dürften. Darüber hinaus sollten die Fans ihnen deutlich wahrnehmbar die Daumen drücken.

Denn: Aberglaube hilft. Das ist das Fazit einer Studie der Universität Köln.

Bekanntlich setzen viele Sportler auf Glücksbringer oder hängen irgendeiner anderen Form des Aberglaubens an. Golfprofi Tiger Woods etwa trägt am letzten Turniertag immer ein rotes Hemd, Basketball-Star Michael Jordan wollte niemals auf seine Shorts von der North Carolina University unter dem eigentlichen Trikot verzichten. Und Miroslav Klose folgt einem festen Ritual beim Anziehen von Schuhen und Stutzen. Außerdem muss es der rechte Fuß sein, mit dem er das Spielfeld betritt. Aber bringt ein solches Verhalten tatsächlich etwas? Und wenn ja, was?

Genau diesen Fragen ist die Sozialpsychologin Lysann Damisch nachgegangen. Zusammen mit ihren Kollegen Barbara Stoberock und Thomas Musseiler hat sie eine Reihe von Versuchen unternommen. So luden die Forscher 28 Studenten zum Golfspielen ein. Bevor die Versuchsteilnehmer jedoch abschlagen durften, erklärten die Psychologen der Hälfte von ihnen, ihr Ball habe sich bisher als Glücksball erwiesen.

Wie die Wissenschaftler im Fachjournal Psychological Science berichten, gelang es den Probanden mit dem angeblichen "Glücksball" - tatsächlich handelte es sich natürlich um irgendeinen Golfball - im Schnitt mehr als sechs von zehn Bällen einzulochen. Die Kontrollgruppe mit dem gewöhnlichen Ball schnitt schlechter ab. Hier beförderten die Studenten weniger als fünf von zehn Bällen ins Loch

Besser mit dem Glücksbringer

Im zweiten Experiment versuchten 51 Studenten, 36 Kugeln in einer kleinen Box durch geschicktes Schwenken in 36 Löcher zu bekommen. Einige Probanden ermutigte Damisch mit dem Satz:"Ich drücke dir die Daumen" und einer entsprechenden Geste. Andere versuchte sie mit dem eher sinnfreien Satz, sie würde ihnen "die Uhr" drücken, zu ermutigen. Eine dritte Gruppe hörte lediglich: "Auf los geht's los". Am schnellsten lösten jene Studenten die Aufgabe, die sich auf übersinnliche Weise von Damisch unterstützt fühlten.

Schließlich baten die Wissenschaftler Studenten, ihre eigenen Glücksbringer mit ins Labor zu bringen. Etwa die Hälfte der 41 Teilnehmer durfte ihren Talisman - zum Beispiel Stofftiere, Halsketten, Ehe- und Schlüsselringe - behalten, die übrigen Versuchspersonen mussten ihn abgeben. Dann füllten die Probanden einen Fragebogen über ihre Selbstsicherheit aus und nahmen an einem Gedächtnistest teil.

Die, die auf die Unterstützung ihres Glücksbringers verzichten mussten, schnitten im Test schlechter ab. Darüber hinaus hatten sie sich zuvor auch weniger sicher gefühlt.

In einem ähnlichen Versuch zeigten sich diejenigen von 31 Studenten, die ihren Talisman behalten durften, zuversichtlicher, gut abzuschneiden, arbeiteten länger an ihrer Aufgabe und erzielten tatsächlich bessere Ergebnisse als jene, die auf den Glücksbringer verzichten mussten.

Offenbar hilft positiver Aberglaube demnach tatsächlich, bessere Leistungen zu erbringen. Das funktioniert wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung: Wer an die Macht des Talismans glaubt, fühlt sich sicherer, geht eine Aufgabe mutiger an und erzielt dann bessere Ergebnisse als derjenige, der auf seinen Talisman verzichten muss.

Ob positiver Aberglaube und Glücksbringer allerdings objektiv gesehen Vorteile bringen, ist damit nicht belegt. Hierzu müsste getestet werden, ob Menschen mit Glücksbringer besser abschneiden als in der Wolle gefärbter Skeptiker, die von vorn herein keine Hasenpfote mit sich herumschleppen. Denn dass abergläubige Menschen, denen ihr Talisman Sicherheit gibt, ohne diesen schlechter abschneiden als mit, verwundert nicht.

Genauso wenig überrascht, dass abergläubische Menschen sich besser fühlen, und Golfbälle entspannter und deshalb effektiver einlochen, wenn der Ball als Glücksträger selbst gewissermaßen schon einen Teil der Leistung zu erbringen verspricht.

Kritiker der Studie könnten darüber hinaus auf die kleine Zahl der Versuchsteilnehmer und die Laborbedingungen hinweisen. Und wie Studien und Umfragen immer wieder belegen, ist die Zahl derjenigen, die an den Einfluss übersinnlicher Mächte glauben, selbst in Ländern wie Deutschland, Großbritannien und den USA größer als die der "Ungläubigen". Das galt auch für die Studienteilnehmer in Köln.

Ihre Ergebnisse haben Damisch trotzdem auf die Idee gebracht, man könnte Kindern abergläubisches Glücks-Gedankengut als positiven Leistungsverstärker nahebringen - "anstatt darauf zu warten, dass sich ein Aberglaube zufällig entwickelt".

Damit will die Psychologin zwar nicht die Vorstellung eines abergläubischen Weltbildes fördern, schreibt sie in ihrer Doktorarbeit. Schließlich zeigen ihre Ergebnisse nicht, dass "der Einfluss des Aberglaubens auf die Leistung irgendwie den Einfluss von Wissen, Talent und Fähigkeiten übertrifft".

Trotzdem "könnte ein aktivierter Glücksaberglaube die Leistung innerhalb der existierenden Leistungsgrenzen fördern", schreibt Damisch. Ein Glücksstift etwa könnte helfen, einen Schreibtest zu bestehen, ein Glückwunsch wäre vielleicht geeignet, Angst und Unsicherheit zu bewältigen und den Glauben an die eigenen Fähigkeiten zu verstärken.

Übersinnliche Fähigkeiten eines Schreibgeräts

Mancher Pädagoge wird diesen Vorschlag mit Überraschung zur Kenntnis nehmen. Jemanden mit Hilfe von Glückwünschen der sozialen Unterstützung zu versichern, ist schließlich etwas anderes, als Kindern den Eindruck zu vermitteln, ein Schreibgerät könnte die übersinnliche Fähigkeit besitzen, den Benutzer vor Rechtschreibfehlern zu bewahren.

Auch ist ein kurzfristiger Effekt harmloser Glücksbringer im Rahmen von Wettkämpfen oder Tests nur eine Seite der Medaille. Damisch selbst will deshalb nun überprüfen, welche Auswirkungen negativer Aberglaube - zum Beispiel der Glaube, eine schwarze Katze bringe Pech - auf die Leistungen haben kann.

Etliche negative Folgen der verschiedenen Formen des Aberglaubens müssen allerdings nicht mehr überprüft werden, sie liegen auf der Hand. So werden zum Beispiel Nashörer noch immer gewildert, weil einige abergläubische Menschen überzeugt davon sind, das Horn der Tiere erhöhe, in Pulverform verzehrt, die Potenz. Andere versuchen, sich mit Hilfe eines Talismans vor Krankheiten wie Aids zu schützen.

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