Psychologie:Vernunft auf Englisch

Fremdsprachen verringern den menschlichen Hang zum Aberglauben, da sie die Tür zum intuitiven Denken zuschlagen. Nur in der Muttersprache entfalten vermeintlich gute oder schlechte Vorzeichen ihre psychologische Wirkung. Die Macht der Sprache ist enorm.

Von Sebastian Herrmann

Morgens auf dem Weg zur Arbeit huscht eine schwarze Katze quer über die Straße. Das weckt sofort Gedanken daran, dass diese Begebenheit manchen wohl noch immer als schlechtes Vorzeichen gilt. Wie sehr solche Dinge die Menschen bis heute beschäftigen, lässt sich etwa an einer Studie aus Großbritannien ablesen, die zeigte: Fällt ein Freitag auf einen 13., ist der Verkehr auf den Straßen geringer, dafür gibt es aber mehr Unfälle. Aberglaube lebt, und es sind die Intuitionen, die dieses Denken befeuern, zeigen Forscher um Constantinos Hadjichristidis von der Universität Trient im The Quarterly Journal of Experimental Psychology. Demnach schützen Fremdsprachen vor abergläubischen Tendenzen, weil sie quasi die Tür zum intuitiven Denken zuschlagen.

Die Wissenschaftler ließen Studenten verschiedene Szenarien jeweils in ihrer Muttersprache oder auf Englisch beurteilen. Darin tauchten gängige Motive auf, die oft als Vorzeichen gedeutet werden: etwa zerbrochene Spiegel oder der Umstand, aus Versehen unter einer Leiter hindurchgegangen zu sein. Natürlich weist jeder weit von sich, etwas auf solche unsinnigen Zeichen zu geben. Doch die Idee taucht automatisch im Kopf auf, ist präsent und muss durch das bewusste Denken gleichermaßen niedergerungen werden. Präsentierten die Forscher die Szenarien in einer Fremdsprache, blieb dieser innere Kampf aus. Die Bedeutung solcher Begebenheiten als Vorzeichen erlernten Menschen früh in ihrer Biografie, so die Forscher. Die Idee liegt im Gehirn sozusagen nur in der Muttersprache vor. In einer Fremdsprache, die man später im Leben erlernt, wird ein solches Vorzeichen nur als das betrachtet, was es ist: ein bedeutungsloser Vorgang.

In anderen Studien haben Forscher ähnliche Befunde gemacht. In fremdsprachlichen Texten entdecken Leser zum Beispiel eher Ungereimtheiten und glauben Aussagen weniger leicht. Wann immer sich ein Geist anstrengen muss, erkennt er Unsinn rascher, als wenn es ihm in leicht konsumierbarer Form dargereicht wird - und sei es nur in Form der Muttersprache.

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