Am 14. Januar 2019 griff US-Präsident Donald Trump zum Stift und unterschrieb ein Gesetz, das Senat und Repräsentantenhaus beschlossen hatten. Selbst ohne nähere Informationen über den präsidialen Verwaltungsakt im Weißen Haus zu kennen, dürfen nach vier Jahren Trump ein paar Mutmaßungen angestellt werden. Ziemlich sicher unterschrieb der 45. Präsident der USA in der festen Überzeugung, dass er da eines der besten Gesetze aller Zeiten unterzeichnete. Es muss ja immer alles das Tollste, Größte, Beste sein, was der einstige Reality-TV-Darsteller so macht, sagt zumindest Trump selbst. In einer Sache ist der scheidende US-Präsident ja tatsächlich ungeschlagener Meister: darin, sich die Welt zurechtzufabulieren, wie sie ihm gefällt.
Motiviertes Denken nennen Psychologen dieses Verhalten, das nicht nur Trump zu eigen ist, sondern - in unterschiedlichem Ausmaß - allen Menschen. Um dieses Argument zu stützen, sei kurz eine Mutmaßung über die Reaktion des durchschnittlichen Trump-Gegners auf die Unterzeichnung des Gesetzes erlaubt: Wenn Trump etwas absegnet, dann muss es katastrophaler Mist sein!
Nun, das Gesetz nannte sich Evidence-Based Policymaking Act, und kurz gesagt ging es darum, Daten und Fakten im politischen Prozess eine wichtigere Rolle zu verschaffen. Doch so gut wie jeder hat eine Motivation, das erst mal gut oder schlecht zu finden: Trump ist begeistert, weil er es unterzeichnet; Beobachter sind entsetzt, weil Trump es unterzeichnet. Worum es wirklich geht, spielt dabei kaum eine Rolle.
Motiviertes Denken trifft alle, aber Politiker sind wahre Meister darin
Gerade haben die Politikwissenschaftler Julian Christensen von der dänischen Universität Aarhus und Donald Moynihan von der Georgetown University, Washington, eine Studie in Behavioural Public Policy publiziert, die zeigt: Motiviertes Denken trifft alle, aber Politiker sind wahre Meister darin - an ihnen verpuffen sogar Maßnahmen, die diese Form des Denkens unter Normalbürgern wenigstens abmildern.
Psychologie:Überall Fieslinge
Hinter Worten und Taten anderer Menschen vermutet man oft reflexhaft böse Absichten - ein spaltender Trugschluss.
Die Wissenschaftler werteten Daten von vielen Hundert Lokalpolitikern aus Dänemark sowie von Bürgern aus. Im Kern ging es um die Frage, ob Kommunalverwaltungen Leistungen - in diesem Fall in der Altenpflege - besser an private oder öffentliche Anbieter vergeben. Das klingt zunächst technisch-abstrakt, stellt aber eine politische Bruchlinie dar (öffentlich vs. privat), über die leidenschaftlich gestritten wird.
Die Teilnehmer mussten Angebote einer privaten und einer öffentlichen Einrichtung in der Altenpflege bewerten. Diese waren so kompliziert gestaltet, dass es einige geistige Mühe kostete, das objektiv bessere zu identifizieren. Und das gelang den Teilnehmern dann eher, wenn der Anbieter (privat vs. öffentlich) zu den eigenen politischen Einstellungen (marktliberal vs. sozialdemokratisch) passte. Man sieht die Fakten, wenn man sie auch sehen will. Andernfalls werden sie verbogen.
Ein halbwegs bewährtes Gegenmittel für motiviertes Denken besteht darin, eine Begründung für eine Entscheidung oder Meinung zu erbitten. Zwar könnte man selbst den gröbsten Unfug begründen, aber es zwingt dann doch zu ein wenig geistiger Mühe. Und an dieser Stelle zeigte die Studie einen Unterschied: Bürgern verhalf die Bitte um eine Begründung zu einem klareren Blick auf die Fakten. Politiker igelten sich erst recht in ihrem Weltbild ein und gaben anschließend noch stärker verzerrte Antworten als zuvor.
Besonders ausgeprägt war dieser Effekt unter erfahrenen Politikern. Je länger diese Ämter ausübten, desto stärker war ihre Neigung, auf der eigenen (verzerrten) Sicht der Dinge zu bestehen. Politiker, so argumentieren die Forscher, sind eben Profis darin, gegenüber ihren Wählern auf Dingen zu beharren, die nicht zwingend zu den Fakten passen. Eine ihrer Kernkompetenzen ist es, sich selbst und die Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass sie den Durchblick haben.