Psychologie:To-do-Liste baut Stress ab

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Unerledigte Aufgaben bleiben im Kopf haften. Wer sie vor dem Einschlafen notiert, schlummert eher ein.

(Foto: imago/Westend61)

Altmodisch, simpel und hilfreich: Wer abends im Bett seine Aufgaben für den nächsten Tag auflistet, schläft eher ein.

Von Sebastian Herrmann

Auch morgen stehen wieder zu viele Aufgaben an, wie jeden Tag. Immer dieser Stress! Ganz wichtig: Wechselwäsche für das Kindergartenkind rauslegen und nicht wieder zu Hause vergessen. Der Brief an die Krankenkasse muss endlich abgeschickt werden, er liegt schon viel zu lange herum. Und im Büro geht es sowieso drunter und drüber. Bald steht diese Präsentation an, die bisher nur in einer finsteren Ecke des Gehirns herumgeistert. So taumeln die Gedanken durch den überfrachteten Alltag und türmen sich zu einem Gefühl der Überforderung auf.

Dabei gibt es ein Mittel, um dieser miesen Empfindungen Herr zu werden. Eines, das weithin bekannt ist, oft belächelt wird und zahlreichen Menschen hilft, in ihrem Alltag nicht zu ertrinken: die To-do-Liste. Die Wirkung dieses banalen Werkzeugs ist verblüffend. Wie viele der Vorhaben umgesetzt werden, spielt keine Rolle - schon das Anfertigen solcher Listen reduziert den Stress. Zu diesem Schluss kommt eine Studie, die Psychologen um Michael Scullin von der amerikanischen Baylor University im Journal of Experimental Psychology: General publiziert haben. Darin zeigen sie, dass eine To-do-Liste sogar als Einschlafhilfe dienen kann - klingt absurd, passt aber zu anderen Ergebnissen in der Fachliteratur.

Am besten so konkret wie möglich formulieren

Die Wissenschaftler ließen die Teilnehmer abends im Bett Listen anfertigen. Die einen schrieben auf, was sie am Vortag geschafft hatten, die anderen, welche Aufgaben nach dem Aufstehen auf sie warten würden. Nun liegt der Gedanke nahe, dass eine Liste mit Erfolgen gestresste Büromenschen zufrieden in die Kissen sinken und rasch einschlummern lässt. Doch das Gegenteil ist der Fall: Jene Studienteilnehmer, die eine To-do-Liste anfertigten, schliefen im Schnitt nach 16 Minuten ein, die anderen erst nach 25. Und je umfangreicher die Aufgaben-Kataloge waren, desto rascher fanden die Probanden in den Schlaf.

Ein Liste künftiger Pflichten anzulegen, sagen die Psychologen um Scullin, befreie den Kopf. Das menschliche Gehirn beschäftigt sich nämlich schier zwanghaft mit Vorgängen, die noch nicht abgeschlossen sind oder erst bevorstehen. Die Erinnerung an ein erfolgreiches Kundengespräch wird also vom Gedanken an die anstehende Präsentation verdrängt. Aufstellungen persönlicher Erfolge verblassen angesichts unerledigter Dinge.

Eine To-do-Liste anzufertigen, das hat der Psychologe Roy Baumeister gezeigt, setzt quasi automatisch einen Haken hinter die Erledigungen von morgen. Je konkreter die Punkte formuliert werden, desto ausgeprägter scheint der Effekt zu sein. Statt "Präsentation anfangen" führt "Fünf grobe Ideen für die Präsentation notieren" eher zu einem erfreulichen Ergebnis. Gut geplant ist fast erledigt. Das mindere den Schrecken einer Aufgabe, argumentieren Psychologen. Ein diffuses Riesenproblem verwandelt sich so in eine harmlose Aufgabe. Und das Gehirn reagiert auf einen konkreten Plan, als sei er schon in die Tat umgesetzt: Es lässt endlich locker.

So können To-do-Listen helfen, mehr zu schaffen und gelassen zu bleiben. Klingt nach einem großartigen Konzept, das gleich auf die eigene Liste gesetzt wird. Ab morgen wird gut geschlafen, ganz sicher.

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