Psychologie:Schweigen ist Gift

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Wer sich von seinen Mitmenschen isoliert fühlt, leidet stark. (Foto: dpa)

Kaum etwas schmerzt Menschen mehr, als von anderen ignoriert zu werden. In solchen Situationen kann sogar eine Beleidigung willkommen sein.

Von Sebastian Herrmann

Der Schmerz wächst in der Stille, kein Wort, keine Erklärung, kein Gespräch. Die Kollegen ignorieren einen plötzlich, und niemand sagt, warum die Stimmung gekippt ist. Die Freunde in der Schule zeigen von einem Tag auf den anderen die kalte Schulter und treten nach, indem sie einen behandeln, als sei man Luft. Ein ähnlich großer Schmerz entsteht, wenn auf eine Bewerbung um eine neue Arbeitsstelle überhaupt keine Reaktion kommt; nichts, gar nichts, nicht einmal eines dieser dämlichen Formschreiben, die in bürokratisch anmutenden Formulierungen Bedauern ausdrücken und alles Gute für den weiteren Lebensweg wünschen.

In Situationen wie diesen, in denen Menschen sozial ausgeschlossen werden und Zurückweisung erleben, verstärkt Schweigen die schlechten Gefühle. Psychologen um Selma Rudert von der Universität Basel und Kipling Williams von der Purdue University zeigen in einer Studie im Fachblatt Personality and Social Psychology Bulletin, dass Menschen dankbar auf wirklich jedes Wort reagieren, wenn sie Ausgrenzung erleben: Sogar eine unverschämte Begründung für eine Zurückweisung lindert die Qual. Lieber negatives Feedback als gar keines, lautet das Fazit der Arbeit.

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Sogar eine beleidigende Antwort befriedigt das Bedürfnis, wahrgenommen zu werden

Für Signale sozialer Ausgrenzung besitzen Menschen enorm empfindliche Antennen. In der Regel, so haben zahlreichen Studien gezeigt, provozieren schon die geringsten Anzeichen dafür, dass einen die anderen Mitglieder eine Gruppe schneiden könnten, eine Reaktion. Aus evolutionärer Sicht sei das gut erklärbar, schreiben die Psychologen, schließlich stellte es für Menschen in härteren Zeiten als den gegenwärtigen eine lebensbedrohliche Gefahr dar, wenn sie aus der Dorf- oder der Jäger-Sammler-Gemeinschaft ausgeschlossen wurden. Dieses evolutionäre Erbe besteht im tiefen Bedürfnis nach Zugehörigkeit fort und danach, von anderen wahrgenommen und akzeptiert zu werden. Exklusion sorgt zudem dafür, dass die Antennen des Menschen noch schärfer werden - unter diesen Umständen werden selbst kleinste soziale Signale registriert, insbesondere solche, die sich positiv deuten lassen.

Psychologen haben sich in Studien stets auf nettes, auf gutes Feedback konzentriert, wenn sie wissen wollten, wie die Pein sozialer Ächtung gemildert werden könnte. Rudert und Williams stellten nun für ihre Forschung quasi die Frage in den Raum, welches Minimal-Feedback ausreichend sein könnte, um die Pein der Ausgegrenzten zu lindern. Dazu ließen sie in vier verschiedenen Versuchen Probanden zum Beispiel in Dreiergruppen Ball spielen. Jeweils ein Teilnehmer bekam den Ball nie zugeworfen und wurde von den anderen ignoriert. Das schmerzt, das Kind darf nicht mitspielen. Wenn der Ausgegrenzte am Schluss einer Zeitspanne dann doch wenigstens zwei, drei Mal den Ball fangen durfte, dann war es jedoch wieder gut.

In einem anderen Versuch mussten sich die Teilnehmer der Studie um ein Zimmer bewerben und wurden jeweils als WG-Mitglied abgelehnt. Am schlimmsten empfanden jene Probanden die Absage, die ganz ohne Begründung abserviert wurden. Garnierte der vermeintliche Vermieter die Ablehnung mit warmen Worten, linderte dies natürlich die negativen Gefühle, das ist keine Überraschung. Aber sogar, wenn in dem Schreiben mit der Absage stand, dass der Bewerber für das Zimmer nicht infrage käme, weil er eine wirklich "grauenhafte Person" sei, war dies besser, als gar keine Ansage zu erhalten. Für die Praxis bedeute das: Arbeitnehmer seien mit negativer Resonanz langfristig zufriedener, als wenn sie gar keine Rückmeldung bekommen, so die Autoren. Am schlimmsten ist es, ignoriert zu werden.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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