Psychologie:Industrie soll mehr zahlen

Viele Bürger finden es unfair, dass manche Industriezweige von der EEG-Umlage befreit sind. Wie sich die Energiewende gerechter finanzieren ließe.

Von Christopher Schrader

Die Energiewende wird in Deutschland trotz ihrer Kosten von einer breiten Mehrheit getragen, wie repräsentative Umfragen immer wieder bestätigen. Viele Bürger haben aber das Gefühl, es könnte dabei fairer zugehen, wie eine Untersuchung von Forschern des RWI - Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen und Bochum zeigt. Sie haben erkundet, wie es die Teilnehmer bewerten, dass in Deutschland die energieintensive Industrie von der sogenannten EEG-Umlage befreit ist. Mit diesem Aufschlag auf den Strompreis finanziert Deutschland die Transformation des Energiesystems; sie beträgt zurzeit 6,8 Cent pro Kilowattstunde und macht für Endverbraucher ungefähr ein Viertel der Gesamtkosten aus (Nature Energy).

Viele Menschen wünschen sich mehr Gerechtigkeit in der Klimapolitik

Für die Studie haben die Wissenschaftler um Mark Andor gefragt, ob die Teilnehmer zustimmen würden, die EEG-Umlage um einen, zwei oder vier Cent pro Kilowattstunde anzuheben. Das angegebene Ziel war, so den Anteil der erneuerbaren Energien am Strom auf 35 Prozent zu steigern. 11 000 Haushalte haben mitgemacht, eine sehr breite Basis.

Das Forscherteam hat drei Gruppen gebildet: Die erste bekam keine weitere Information, 41 Prozent davon stimmten der Vier-Cent-Erhöhung zu. Eine zweite Gruppe wurde vor der Antwort darauf hingewiesen, dass in Deutschland die Betriebe der energieintensiven Industrie von der EEG-Umlage befreit sind, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern. Von diesen Befragten waren nur 23 Prozent bereit, vier Cent mehr zu bezahlen. Eine dritte Gruppe bekam zu der Information über die energieintensive Industrie noch die fiktive Auskunft, das Privileg werde im Zuge der Erhöhung abgeschafft. Hier stimmten 61 Prozent den Zusatzkosten zu.

Höhe der EEG-Umlage und Ausnahmen sind breit in der Presse diskutiert worden. Das Forscherteam nimmt aber an, dass in allen Gruppen gleichmäßig Teilnehmer mit größeren und geringeren Kenntnissen der komplizierten Materie waren, sodass ihr Wissen die Ergebnisse nicht verzerrt hat. "Wenn alle informiert wären, sollte es keinen Unterschied geben", sagt Andor.

Die Ergebnisse haben bei vielen Experten einen Nerv getroffen. "Im Kern zeigt die Studie, dass sich die Menschen mehr Gerechtigkeit in der Klimapolitik wünschen", sagt Brigitte Knopf vom Mercator-Institut für globale Gemeinschaftsgüter und Klimawandel in Berlin. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung ergänzt: "Zu Recht fordern viele Bürger eine deutlich stärkere Beteiligung der Industrie an den Kosten für die EEG-Umlage." Jedoch gab es auch verhaltene Kritik an der Studie, weil das 35-Prozent-Ziel etwa ohnehin praktisch erreicht ist. "Eine deutliche Steigerung der EEG-Umlage wird es auch bei einem ambitionierten Ausbau erneuerbarer Energien nicht geben", sagt Patrick Graichen vom Thinktank Agora Energiewende in Berlin. "Insofern hat die Studie etwas abgefragt, was gar nicht zur Diskussion steht." Tatsächlich soll die EEG-Umlage für 2019 in wenigen Wochen neu festgelegt werden, und Fachleute erwarten, dass sie stabil bleibt oder womöglich sogar leicht sinkt.

Dennoch bleibt der Zuschlag umstritten: Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie zu sichern, sagt Patrick Graichen, sei "eine gesamtstaatliche Aufgabe, die aus dem öffentlichen Haushalt bestritten werden sollte". Das würde die direkten Kosten für die Verbraucher reduzieren. "Die Studie ist ein starkes Indiz dafür, dass die Bürger es begrüßen würden, wenn die Politik die Abgaben und Umlagen auf Energiepreise neu ordnen würde", so Graichen. "Damit könnte die EEG-Umlage sogar fast halbiert werden."

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