Psychologie:Glaubenssache

Eigentlich logisch: Zumindest im Christentum können gläubige Menschen auf eine Existenz nach dem Tode hoffen. Das sollte ihnen die Angst vor dem Sterben nehmen. Doch so einfach ist das nicht, wie Studien zeigen. Und warum eigentlich sind auch Atheisten relativ furchtlos?

Von Christian Weber

Warum haben Hunde und Kaninchen eigentlich keine Religion? Okay, vielleicht, weil sie kognitiv etwas herausgefordert wären, sich einen unfehlbaren Papst und einen Gott auszudenken. Doch es gibt einen weiteren Grund: Ihnen fehlt das Bewusstsein ihrer eigenen Sterblichkeit, sie bellen und springen herum bis sie irgendwann einfach tot umfallen. Anders aber der Mensch: Er weiß, dass er eines Tages sterben wird, und das macht ihm Angst. Um diese Angst zu dämpfen, erfindet er sich eine Religion und glaubt an das ewige Leben, am besten in einem Paradies. So zumindest vermutet es die sogenannte Terror-Management-Theorie (TMT), die Sozialpsychologen in den 80er Jahren entwickelt haben, aber in Ansätzen bereits von Denkern wie Lucretius Carus bis Ludwig Feuerbach vertreten wurde. Es ist eine elegante Theorie, die nur einen Nachteil hat: Sie ist empirisch nie so richtig sauber belegt worden. Zwar gibt es viele Studien, doch zeigen sie sehr widersprüchliche Ergebnisse.

Ein wenig Licht ins Dunkel bringt nun ein großer Review-Artikel, den ein Team um den Psychologen Jonathan Jong von der Coventry University in der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins Religion, Brain & Behavior veröffentlicht hat. Die Wissenschaftler versuchten, die gesamte Forschungs-Literatur zu dem Thema zu sichten, unterzogen 100 methodisch hochwertige Studien mit insgesamt 26 000 Teilnehmern aus den Jahren 1961 bis 2014 einer Metaanalyse und berücksichtigten dabei weitere sechs bestehende Metaanalysen. Dabei zeigte sich zumindest eine "schwache negative Korrelation" zwischen Religiosität und Angst vor dem Tode. Dabei war es egal, wie Religiosität definiert war, ob als Glaube an Gott oder ein irgendwie geartetes Nachleben oder auch nur als frommes Verhalten wie Kirchgang und Gebet. Nur bei einer Gruppe zeigte sich ein etwas stärkerer Effekt: bei den sogenannt intrinsisch Religiösen. Darunter verstehen die Forscher jene Menschen, die wirklich an die Inhalte ihrer Religion glauben, also die wahren Gläubigen. Sie sind zu unterscheiden von den extrinsisch Religiösen, die einfach pragmatisch die sozialen und emotionalen Vorteile der Gemeinschaft schätzen.

Auch dezidierte Atheisten fürchten sich etwas weniger vor dem Sterben

Dennoch bleibt die Studienlage uneindeutig. So zeigt sich bei der Hälfte der Studien überhaupt kein Zusammenhang zwischen Religiosität und Angst vor dem Tode. In 18 Prozent der Studien fürchteten sich die religiösen Menschen sogar mehr als der durchschnittliche Ungläubige vor dem Ende ihres Lebens. Dazu passt ein weiterer Effekt, der Ludwig Feuerbach und seine Mitstreiter überrascht hätte: Auch bei den dezidierten Atheisten zeigte sich eine leicht reduzierte Todesangst. Nach Ansicht der Wissenschaftler bestätigt dies eine weitere Annahme der TMT, dass nämlich jede starke Weltanschauung die Angst reduziert. Aus dieser Sicht "erfüllt der Atheismus die gleiche Terror-Management-Funktion wie traditionelle Religionen", spekulieren die Autoren. Vielleicht aber zeigt das nur, dass es die Unsicherheit ist, die Menschen am meisten ängstigt. Wer glaubt, dass mit dem Tod wirklich alles vorbei ist, der muss sich nicht vor einem längeren Aufenthalt in der Hölle fürchten. Ist ja auch schon was wert.

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