Kommunikation:Warum Entschuldigungen oft nach hinten losgehen

Osamu Masuko, Tetsuro Aikawa

Manager von Mitsubishi entschuldigen sich 2016 öffentlich für falsche Verbrauchsangaben

(Foto: AP)
  • Öffentliche Entschuldigungen können die Wut auf die Figuren im Zentrum von Kontroversen noch steigern. Das berichten Sozialwissenschaftler in einer neuen Studie.
  • Vor allem die jenigen, die vorher schon empört waren, werden durch ein Zeichen der Reue noch empörter.
  • Eine mögliche Erklärung: Eine Entschuldigung könnte wie ein Geständnis wirken.

Von Sebastian Herrmann

Irgendein Sturm der Entrüstung braut sich eigentlich immer zusammen und entlädt sich täglich in heftiger Empörung. In der so grell ausgeleuchteten Gegenwart fliegen öffentlichen Figuren rasch die Fetzen um die Ohren. Plötzlich stehen sie im Zentrum des nächsten Shitstorms - weil Verfehlungen aus ihrer Vergangenheit ans Licht geraten sind, weil sie kontroverse Standpunkte vertreten oder weil sie einfach groben Mist gebaut haben. Was dann folgt, gehört ebenso zur Gegenwart wie der Empörungssturm zuvor: die öffentliche Entschuldigung. Aber mal aus rein taktischer Perspektive gefragt, ganz unabhängig davon, ob eine Entschuldigung angebracht wäre: Lässt sich die Empörung mit einem Mea culpa lindern oder schüren Politiker und andere öffentliche Figuren so den Zorn erst recht?

Die gängigen Empfehlungen zur Krisenkommunikation, das eigene Empfinden und vielleicht sogar der Anstand sagen: unbedingt entschuldigen. Der Sozialwissenschaftler Richard Hanania von der Columbia University in New York hat jedoch gerade eine Untersuchung veröffentlicht, die das Gegenteil nahelegt. Demnach heizen öffentliche Entschuldigungen die Wut auf die Figuren im Zentrum solcher Kontroversen sogar noch an. Eine Geste der Reue und die Bitte um Verzeihung bringen vor allem jene in besondere Wallung, die zuvor schon empört waren, wie Hanania im Fachjournal Behavioural Public Policy berichtet.

Taktisch gesehen macht Donald Trump alles richtig

Im Privaten wirken Entschuldigungen zwar nicht immer, aber immerhin oft. Dazu findet sich vieles in der psychologischen Forschung. Das muss jedoch nicht heißen, dass dies auch im Falle öffentlicher Empörungsspektakel so ist. "Dann könnten ganz andere Maßstäbe gelten", schreibt Hanania, dessen Arbeit diese Frage als eine der ersten untersucht.

Dafür ließ er mehrere Hundert Probanden Beschreibungen reeller Kontroversen bewerten. Darunter war zum Beispiel die Aussage des ehemaligen Präsidenten der Harvard University, Larry Summers, der 2005 die geringe Zahl von Frauen an den Ingenieurs- und Naturwissenschaftsfakultäten an Top-Unis auf angeblich geringeres Talent schob. Er musste deswegen kurz darauf zurücktreten. Sagte Hanania seinen Probanden nun, dass sich Summers im Anschluss entschuldigt hatte, forderten viele Probanden erst recht Sanktionen. Das galt insbesondere für Frauen und politisch links Eingestellte, also jene, die ohnehin aufgebracht waren. Bei Konservativen oder Männern zeigte eine Entschuldigung hingegen kaum einen Effekt - ihre Einschätzung zur Verwerflichkeit der Aussagen blieb konstant.

Ähnliche Ergebnisse legte kürzlich auch der Harvard-Forscher Cass Sunstein vor. Wie sich die Ergebnisse erklären, darüber können die Wissenschaftler nur spekulieren. Eine Entschuldigung könne wie ein Geständnis wirken, so Sunstein, was gerade in ambivalenten Situationen Wut befeuern würde. Beide betonen, dass Donald Trump aus rein taktischer Perspektive demnach alles richtig mache. Der US-Präsident entschuldigt sich grundsätzlich für keine seiner vielen Beleidigungen. Die schamlose Provokation ist seine schärfste Waffe, seine Anhänger lieben ihn gerade dafür. Eine Entschuldigung würden sie ihm nur als Zeichen der Schwäche verübeln.

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