Psychologie des Feilschens:Das kostet 1523,67 Euro

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Das Ziel allen Feilschens (Foto: iStock)

Wer feilscht, sollte mit einem möglichst krummen Preis starten. Das erhöht die Erfolgschancen, weil der beeindruckte Handelspartner weniger stark von krummen Geboten abweicht als von runden Summen. Allerdings gibt es da auch noch den Ankereffekt.

Von Sebastian Herrmann

Feilschen ähnelt einem sportlichen Wettkampf. Vor allem insofern, als der besser trainierte Teilnehmer in der Regel als Sieger aus dem Duell geht.

Ein wertvoller Tipp zur Vorbereitung für den nächsten Besuch auf dem Basar kommt nun von Psychologen um David Loschelder von der Universität Saarbrücken: Um einen guten Preis zu erzielen, sollte man eine krumme Summe als Angebot aufrufen.

Wer etwa ein Auto verkauft, sollte nicht mit einem runden Betrag ins Rennen gehen, sondern zum Beispiel 14.885 oder 15.225 Euro verlangen. Ein solcher, scheinbar präzise abgewogener Preis erzeuge nämlich die Illusion, dass der Verkäufer besonders gut informiert sei. Das beeindruckt beim Handeln, und der Handelspartner weicht von krummen Geboten weniger stark ab als von runden Summen, die willkürlicher klingen ( Social Psychological and Personality Science, online).

Der wichtigste (und allen Profis bekannte) Tipp aber lautet: Spiele unbedingt die Eröffnung und gib das erste Angebot ab. Denn wer sich zuerst aus der Deckung wagt, der setzt damit einen Anker, wie es Psychologen nennen. Das erste Gebot ist die Referenz, auf die sich das Gegengebot bezieht. Die Faustregel lautet: Je höher der erste Preis, desto höher liegt auch das Gegengebot, immer vorausgesetzt, die aufgerufenen Preise sind nicht so unverschämt, dass einer der Feilschenden fluchend vom Markt stürmt.

Der Ankereffekt ist in einer Vielzahl Studien belegt - und zwar nicht nur bei Verkäufen. Überraschend ist, dass sogar unbedeutende Zahlen aus einem ganz anderen Kontext eine Wirkung haben können. Die Psychologen Daniel Kahneman und Amos Tversky manipulierten zum Beispiel für eine Studie ein Glücksrad, sodass es stets bei 10 oder bei 65 stehen blieb. Dann stellten die Forscher ihren Probanden Schätzfragen.

So wollten sie zum Beispiel wissen, wie hoch der Prozentsatz afrikanischer Länder unter den Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen sei. Obwohl das Glücksrad damit nichts zu tun hatte, beeinflusste es das Schätzergebnis. Jene, die zuvor eine 10 gesehen hatten, gaben im Schnitt einen Anteil von 25 Prozent an; beeindruckt von der 65 schätzten die anderen, dass Afrika 45 Prozent aller UN-Mitgliedsstaaten stelle. Ein Anker wirkt also selbst dann, wenn er keinen Informationswert hat.

Preise erzeugen Illusionen

Ein genannter Preis scheint jedoch Aussagen zu enthalten. Wenn etwas viel Geld kosten soll, gilt es als hochwertig; billige Ware wird umgekehrt als Ramsch abgestempelt. Nun ahnen die meisten Kunde zumindest, dass Preise diese Art der Illusionen erzeugen, oder dass der Händler auf dem Basar im Urlaub das Rennen mit einem Phantasiepreis eröffnet.

Warum wirkt der Anker dennoch? Weil der Kunde automatisch nach Gründen suche, die den Eröffnungspreis doch rechtfertigen könnten, argumentieren die Psychologen um Loschelder. Man stärkt die Ankerwirkung also automatisch, statt die eigene Position im Handelsduell zu festigen. Weicht das eigene Gegenangebot zu stark ab, stellt sich schnell ein blödes Gefühl ein.

Eine präzise Preisangabe unterstützt diese Skrupel offenbar und verstärkt die Kraft des Ankers, wie Loschelder und seine Kollegen beobachtet haben. Die Experimente fanden teils sogar unter realen Bedingungen statt - ungewöhnlich für Studien aus der Psychologie, die üblicherweise mit Studenten im Labor ablaufen.

In diesem Fall beobachteten die Forscher, wie sich der auf einer Onlineplattform vom Verkäufer aufgerufene Startpreis auf das Gegenangebot des Käufers und den erzielten Endpreis auswirkte. Einen runden Betrag konterten die Kunden im Schnitt mit einem niedrigeren Gegenangebot als einen ähnlich hohen krummen Preis. Auch der erzielte Kaufpreis lag tiefer, wenn der Verkäufer mit einer glatten Summe ins Spiel ging.

Eine zweite Studie in einem Antiquitätenladen lieferte weitere Belege für dieses Phänomen. Und je höher der erste Preis war, desto ausgeprägter war der Effekt der krummen Summe. "Numerische Präzision verleiht einem unplausiblen Angebot Glaubwürdigkeit", so die Autoren.

Präzise Aussagen erzeugen generell eine Illusion des Wissen. Denn nur wer sich mit einer Sache sicher sei, treffe auch genaue Angaben oder gebe detaillierte Schätzungen ab, schreibt eine Arbeitsgruppe um Malia Mason, die sich mit dem genau gleichen Phänomen beschäftigt hat ( Journal of Experimental Psychology, Bd. 49, S. 759, 2013).

Auch die Psychologin von der Columbia University fand Belege dafür, dass krumme Beträge besonders wirksam als Anker sind. Sie befragte ihre Probanden aber zusätzlich danach, wie sie Verkäufer einschätzten, die ein gebrauchtes Auto entweder für 1865, 2000 oder 2135 US Dollar anboten. Die krummen Preisangaben erzeugten ein positiveres Bild der Anbieter. Diese hätten sich besondere Gedanken rund um den Verkauf gemacht und seien besser informiert als jene, die den glatten Betrag von 2000 Dollar für den Gebrauchtwagen forderten, sagten die Probanden.

Diese Illusion strahlt übrigens auch auf das Produkt selbst aus, wie Charles Zhang und Norbert Schwarz von der Universität Michigan im Journal of Consumer Research berichten. Je präziser und kleinteiliger die Vorzüge einer Ware beschrieben werden, desto eher glauben Kunden daran. Denken Sie also an all das, wenn der nette Händler im Urlaub genau 2355 Euro für diesen wertvollen, garantiert handgefertigten Teppich verlangt, der mit asymmetrischen Sennehknoten geknüpft wurde, wie sie für die Region so typisch sind.

© SZ vom 06.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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