Psychologie:Der alltägliche Rassismus

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Theoretisch lehnen die meisten Menschen Diskriminierung ab. In der Praxis sieht es dagegen anders aus, zeigen kanadische Wissenschaftler.

Tina Baier

Rassismus ist in den USA und Kanada gesellschaftlich verpönt. Trotzdem sind rassistische Bemerkungen vor allem gegenüber Schwarzen an der Tagesordnung. 67 Prozent der schwarzen Amerikaner wurden nach eigenen Angaben diskriminiert, als sie sich um eine Stelle bewarben. 50 Prozent bekamen schon einmal in alltäglichen Situationen, zum Beispiel beim Einkaufen, Rassismus zu spüren.

(Foto: Foto: iStockphoto)

Zudem gibt fast ein Drittel der weißen Amerikaner zu, dass an ihrem Arbeitsplatz rassistische Bemerkungen gemacht werden. Psychologen der York University in Toronto haben nun gezeigt, dass die Kluft zwischen Theorie und Praxis wahrscheinlich damit zusammenhängt, dass Rassisten kaum negative Konsequenzen wie zum Beispiel gesellschaftliche Ausgrenzung zu fürchten haben ( Science, Bd. 323, S.276, 2009).

In ihrem Experiment führte ein Wissenschaftler jeweils einen Probanden in einen Raum, in dem bereits ein schwarzer und ein weißer Studienteilnehmer saßen. Beide waren jedoch Schauspieler. Kurz nachdem der Studienleiter aus dem Zimmer gegangen war, stand der schwarze Schauspieler auf und ging zur Tür; dabei rempelte er den weißen Schauspieler leicht am Knie an. Sobald der Schwarze außer Hörweite war, sagte der Weiße: "Typisch! Furchtbar, wenn Schwarze sich so verhalten."

Wenige Minuten später kam der schwarze Schauspieler in Begleitung des Studienleiters zurück. Der Wissenschaftler bat den Probanden, ein Buchstabenrätsel zu lösen und fragte ihn, mit wem er dabei gern zusammenarbeiten würde. 63Prozent der Versuchsteilnehmer entschieden sich trotz der rassistischen Bemerkung für den weißen Schauspieler.

Daran änderte sich auch kaum etwas, als die Psychologen das Experiment leicht veränderten und der weiße Schauspieler den derben Kommentar "Trampeliger Nigger!" abgab. In einem dritten Experiment spielten die Psychologen einer anderen Gruppe von Probanden den Zwischenfall auf Video vor und fragten sie anschließend ebenfalls, mit wem sie lieber zusammenarbeiten würden. Rein theoretisch befragt entschieden sich nur 17 Prozent für den weißen Rassisten.

Offenbar reagieren viele Menschen, die überzeugt sind, dass sie keinen Rassismus dulden, anders, wenn sie tatsächlich in eine Situation kommen, in der ein Mensch anderer Hautfarbe diskriminiert wird. Nach Ansicht der Psychologen könnte dies einer der Gründe dafür sein, dass sich Rassismus in vielen Gesellschaften so hartnäckig hält.

© SZ vom 09.01.2009/mcs - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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