Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Das Glück sitzt im rechten Spektrum

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Von Sebastian Herrmann

Der gegenwärtige Wahnsinn in der Welt lässt einen verzweifelt staunen. Warum machen die das, was treibt Parteien an und wie ticken deren Anhänger und insbesondere die Menschen, deren Überzeugungen man nicht teilt? Die Psychologie kann auf diese Fragen einige Antworten geben, die über reine politische Inhalte hinausgehen: Die Wissenschaftler dieser Disziplin versuchen zu verstehen, wie Menschen ticken, empfinden oder denken, die sich als konservativ, progressiv, als links oder rechts bezeichnen - und zwar jenseits der politischen Inhalte.

Soeben haben Psychologen um David Newman und Norbert Schwarz von der University of Southern California in Los Angeles im Fachmagazin Social Psychological and Personality Science ein kleines Psychogramm konservativer Menschen veröffentlicht: Demnach empfinden jene, deren politische Überzeugungen eher rechts von der Mitte verortet sind, mehr Sinn und Bestimmung im Leben als jene aus der gegenüberliegenden Hälfte des Spektrums.

Muss man sich Konservative als Menschen vorstellen, die mit sich selbst mehr im Reinen sind als andere? Womöglich ist das so. Zumindest haben Forscher in den vergangenen Jahren regelmäßig Studien veröffentlicht, die zeigen: Konservative sind tendenziell etwas glücklicher als Progressive. In einer fernen Zeit vor der Präsidentschaft von Donald Trump gaben zum Beispiel 47 Prozent der Anhänger der US-Republikaner an, sie seien sehr glücklich; von den links-liberalen Unterstützern der US-Demokraten sagten dies nur 28 Prozent. Viele weitere Studien ergaben zumindest eine ähnliche Tendenz, wenngleich der Unterschied deutlich geringer ausfiel als in der erwähnten Umfrage. Diese "Glücks-Lücke" sei selbstverstärkend, unkten einst Kommentatoren, schließlich reagierten Progressive niedergeschlagen und depressiv auf solche Ergebnisse - wodurch der Abstand weiter wachse.

Offenbar wirkt es sinnstiftend, die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare abzulehnen

Die Psychologen um Newman und Schwarz legten für die aktuelle Studie nun besonderen Wert darauf, das sperrige Konzept "Lebenszufriedenheit" in einzelne Komponenten zu zerlegen und vor allem auf möglichst viele verschiedene Arten zu messen. Denn - das nur in aller Kürze - werden Probanden gefragt, wie zufrieden sie mit ihrem Leben generell seien, geben Menschen einen Zwischenstand an: Sie antworten, als laute die Frage: Wie zufrieden sind sie in diesem Moment? Schwarz und Newman analysierten daher mehrere Datensätze aus insgesamt 16 Ländern und verschiedenen Jahrzehnten. Darin waren die Teilnehmer gefragt worden, wie viel Sinn und Bestimmung sie im Moment empfanden, an diesem Tag, in der Rückschau oder generell.

In allen Teilstudien, mit insgesamt Daten von mehreren Tausend Teilnehmern, drückten Konservative aus, mehr Sinn und Bestimmung in ihrem Leben zu empfinden. Der Unterschied war nicht besonders groß, aber relevant. Deutlicher fiel er für sozialen als für ökonomischen Konservativismus aus: Offenbar wirkt es besonders sinnstiftend, traditionelle Familienwerte hochzuhalten oder die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare abzulehnen.

Der beobachtete Effekt wirke dabei über die sinnstiftende Wirkung von Religiosität hinaus, so die Forscher. Die Tatsache, dass es unter Konservativen mehr Gläubige gibt als in progressiven Milieus, sei für die Studie berücksichtigt worden, sagen die Forscher. So sei die reine Assoziation mit konservativen politischen Ansichten sichtbar geworden. Über die Ursache können die Psychologen allenfalls spekulieren. Ein Faktor könnte sein, dass Konservative oft in engeren sozialen Netzen leben und diese bestärkend wirken.

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Quelle:
SZ vom 25.06.2018
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