Psychologie:Wie man Menschen am besten auf das Abstandhalten hinweist

Coronavirus - Berlin

Nicht immer werden die Abstandsregeln so vorbildlich eingehalten - dann braucht es die richtige Kommunikation.

(Foto: Fabian Sommer/dpa)

In der Pandemie ist Abstand zu anderen Menschen unverzichtbar. Wie lässt sich das am besten kommunizieren?

Von Sebastian Herrmann

Im Supermarkt drängeln wie jeden Samstag sehr viele Kunden durch den Hindernisparcours zwischen den Produkten. Im Regal hinter den Nudeln hustet irgendjemand laut, immer wieder. Alle tragen Masken, fast alle versuchen, sich gegenseitig so weit aus dem Weg zu gehen, dass die Abstandsregeln befolgt werden. Die Pandemie hat die überaus lästige Tätigkeit des Einkaufens verkompliziert. Und nicht immer halten sich alle an das Gebot, eineinhalb Meter Abstand zu wahren - das gilt (natürlich) auch für sich selbst. Manchmal steckt schlicht Unachtsamkeit dahinter, wenn man einem anderen Kunden zu nah kommt. Manchmal aber ist es Ungeduld: Da steht eine Frau vor dem Kühlregal und vergleicht mit größter Ruhe den Fettgehalt verschiedener Joghurtsorten. Das dauert, sie liest genau und prüft penibel. Die Kundin blockiert das Regal, aus dem man selbst nur fix etwas herausgreifen will.

Die Nähe zu anderen Menschen zu meiden ist etwas, das den meisten nicht leicht fällt, "es widerspricht unseren inneren Impulsen", schreibt der Psychologe David Loschelder von der Leuphana-Universität in Lüneburg gemeinsam mit Kollegen aus Maastricht und Valencia. Es braucht vermutlich Ermahnung oder wenigstens Erinnerung daran, sich doch entgegen den eigenen Impulsen zu verhalten und auf Abstand zu achten. Woraus sich die Frage ergibt, wie diese Aufrufe am besten formuliert werden sollten.

In mehreren Experimenten hat das Team um Loschelder nach einer Antwort darauf gesucht, die sie zur Veröffentlichung im Fachblatt Journal of Experimental Psychology: Applied eingereicht haben. Die im Vergleich größte Überzeugungskraft entfalteten Appelle, welche eine Covid-19-Erkrankung als potenziell tödliche Gefahr für die befragte Person selbst darstellten. Appelle, die Gesundheit der Mitmenschen durch eigenes Verhalten zu schützen, zeigten sich hingegen weniger wirksam.

Die Mitarbeiterin im Supermarkt stellte sich den Kunden in den Weg

In einer ersten Online-Umfrage stellten die Psychologen mehrere Varianten zur Auswahl: Entweder stand der Schutz der eigenen Gesundheit oder der Mitmenschen im Vordergrund; schließlich waren diese Nachrichten entweder negativ formuliert ("Es könnte tödlich sein") oder positiv ("Zum Schutz der Gesundheit"). Für beide Varianten - negatives versus positives Framing - finden sich in der Forschungsliteratur Argumente. Angst vor einem Verlust aktiviert Menschen demnach besonders. Zugleich existieren aber auch Befunde, die eine motivierende Kraft des Optimismus und der Aussicht auf eine Belohnung nahelegen.

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Die aktuelle Studie spricht hingegen eher für die Macht der Angst. In der Online-Befragung ergab sich, dass die Betonung der Gefahr durch Covid-19 für einen selbst einen Menschen am ehesten dazu motivierte, sich an die Abstandsregeln zu halten. Die Forscher testeten ihre Hypothesen jedoch auch in einem Feldversuch. In einem Supermarkt in Deutschland versahen sie Einkaufswagen mit den vier unterschiedlich formulierten Aufrufen, sich an die Abstandsregeln zu halten, und beobachteten schließlich das tatsächliche Verhalten von 268 Kunden. Eine Mitarbeiterin stellte sich dann etwa im Supermarkt so in den Weg, dass es Kunden einige Mühe kostete, die Abstandsregeln einzuhalten. Auch in freier Wildbahn offenbarte sich, dass die Angst um das eigene Wohlergehen am ehesten dazu motiviert, sich an die Abstandsregeln zu halten - weil auf diese Weise persönliche Risikowahrnehmung und Sorge aktiviert werden. Die Angst um die Gesundheit der Mitmenschen zeigte keinen beziehungsweise sogar einen womöglich minimal kontraproduktiven Effekt.

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