Süddeutsche Zeitung

Psychologie:Wem die Psychotherapie am besten hilft

  • Psychotherapie wirkt bei manchen Patienten besser, bei anderen schlechter.
  • Forscher haben nun Erkenntnisse darüber zusammengetragen, welche Persönlichkeitsmerkmale der Patienten für den Erfolg der Behandlung sprechen.
  • Verträgliche Menschen können demnach besonders auf positive Wirkungen hoffen.

Von Jan Schwenkenbecher

Wie gut wirkt eine psychotherapeutische Behandlung? Das hängt nicht nur von der Krankheit, der Behandlung oder dem Therapeuten ab. Das hängt auch vom Patienten ab. Genauer: von seiner Persönlichkeit. Wissenschaftler um Meredith Bucher von der US-amerikanischen Purdue University haben in einer großen Übersichtsarbeit alle Studien ausgewertet, die sie zu diesem Thema finden konnten. 99 Arbeiten waren das insgesamt, in denen die Daten von insgesamt 14 000 Patienten steckten. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin Clinical Psychology Review.

Um den Charakter der Patienten einzustufen, orientierten sich die Wissenschaftler an den sogenannten Big-Five-Persönlichkeitsmerkmalen. Das sind Neurotizismus, Verträglichkeit, Extraversion, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Neues. Verschiedene Erkrankungen und Behandlungsformen differenzierten sie nicht weiter.

Wie die Forscher beobachteten, waren Behandlungen erfolgreicher und die Symptome psychisch Kranker gingen stärker zurück, wenn Patienten zu Beginn einen niedrigeren Neurotizismus-Wert besaßen, also etwa weniger ängstlich waren. Wer umgekehrt emotional stabiler ist, der sei vermutlich eher dazu bereit, sich und sein Verhalten zu ändern, um den eigenen Lebensstil zu verbessern, schlussfolgern die Autoren.

Wer besonders verträglich ist, baut mit seinem Therapeuten eher eine Allianz auf

Doch auch für die anderen Persönlichkeitseigenschaften sahen die Forscher Zusammenhänge mit dem Therapie-Erfolg. Wer auf den Facetten Verträglichkeit, Extraversion und Gewissenhaftigkeit hohe Ausprägungen besitzt, bei dem schlägt ebenfalls eine Behandlung mit größerer Wahrscheinlichkeit positiv an.

Je verträglicher ein Patient ist, desto eher baut er mit dem Therapeuten eine sogenannte "Allianz" auf. Bei einer intakten Allianz haben beide eine gute Verbindung zueinander und sind sich über die Aufgaben und die Ziele der Psychotherapie einig.

Vergangene Forschung hat immer wieder gezeigt, dass eine solche Allianz wichtig für den Erfolg einer Behandlung ist. Ursprünglich hatten die Forscher angenommen, dass auch die Extraversion die Allianz stärke, doch diesen Zusammenhang sahen sie nicht. Jedoch beeinflusste ein hoher Extraversions-Wert die Therapie dennoch positiv, denn stark extrovertierte Patienten scheinen sich schneller Hilfe zu suchen und tragen mit ihrem Verhalten auch innerhalb der Therapie eher zum Gelingen bei, da sie ihre Emotionen und Gedanken bereitwilliger äußern.

Für die Gewissenhaftigkeit beobachteten die Forscher zwar nur einen geringen Einfluss. Der stieg jedoch an, je größer die Abstände zwischen einzelnen Therapiesitzungen lagen. Das lasse sich, so die Forscher, damit erklären, dass gewissenhaftere Patienten etwa ihre Hausaufgaben mit größerer Sorgfalt erledigen und seltener eine Sitzung schwänzen. Bei einer täglichen Therapie ist das vielleicht nicht ganz so schlimm, wenn die Termine aber etwa alle zwei Wochen stattfinden, wird die Eigenleistung umso wichtiger.

Anders als angenommen trägt Offenheit für Neues offenbar kaum zum Therapieerfolg bei

Entgegen ihrer Annahme fanden die Forscher jedoch keinen starken Zusammenhang zwischen der Offenheit für Neues und dem Therapieerfolg. Das könne daran liegen, mutmaßen sie nun, dass die Offenheit viele verschiedene Unterfacetten besitzt. Einerseits zählen die Fähigkeit zur Introspektion und die Reflexion des eigenen Verhaltens dazu, was sich positiv auf eine Behandlung auswirken sollte. Der Hang zum Fantasieren und Träumen andererseits, der mit Psychotizismus zusammenhänge, könne sich jedoch negativ auswirken.

Aus diesen Erkenntnissen leiten die Forscher um Bucher ein paar Tipps für praktizierende Therapeuten ab. "Erstens könnten Therapeuten mit Schwierigkeiten rechnen, bei wenig verträglichen Patienten eine Allianz aufzubauen", schreiben sie. Hier sei es besonders wichtig, schon früh in der Therapie einigen Fokus darauf zu legen, eine Verbindung herzustellen. Darüber hinaus sei es besonders bei Substanzabhängigkeiten hilfreich, sich die Persönlichkeit der Patienten genauer anzuschauen. Denn, so die Forscher, "wie die Ergebnisse zeigen, können Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus der Patienten zu Beginn der Behandlung Aufschluss über die Fähigkeit der Patienten geben, nach der Behandlung abstinent zu bleiben.

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SZ vom 30.04.2019/cat
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