Protest gegen Schweinepatent:Kampf um das Schwein

Seit Jahren versuchen Agrarkonzerne, sich Gene von Lebewesen patentieren zu lassen. Diese Absurdität wird anhalten, solange sich die EU nicht auf eine eindeutige Richtlinie einigt.

Marc Widmann

Für Zyniker ist die Sache simpel: Moderne Zuchtschweine sind doch längst Maschinen, statt Strom fressen sie eben Kraftfutter, anstelle von Zahnrädern produzieren sie Fleisch, wie es der Verbraucher schätzt: fettarm und billig. Warum also sollte man solche lebenden Maschinen nicht auch patentieren können?

Protest gegen Schweinepatent: Schweine vor dem Europäischen Patentamt: Bauern protestierten mit ihren Tieren gegen Patente auf Leben.

Schweine vor dem Europäischen Patentamt: Bauern protestierten mit ihren Tieren gegen Patente auf Leben.

(Foto: Foto: Reuters)

Wer sich dagegen nüchtern mit den Patenten auf Lebewesen beschäftigt, entdeckt eine absurde Welt. Seit Jahren versuchen Agrarkonzerne, sich Gene von Pflanzen und Tieren oder zumindest deren gezielten Einsatz für die Züchtung schützen zu lassen. Beim jetzt diskutierten "Schweinepatent" ist es eine Gensequenz, die Tiere schneller an Gewicht zulegen lässt. Sie ist nicht im Labor geschaffen worden, sie steckt schon seit langer Zeit im Erbgut vieler Tiere. Alles, was Wissenschaftler getan haben, ist, sie aufzuspüren und ihre Funktion zu beschreiben.

Patente setzen aber eine Erfindung voraus; in diesem Fall kann sich die Erfindung also nur auf das Analyseverfahren erstrecken, nicht auf das Erbgut an sich. Das hat schließlich die Natur erfunden.

Absurd ist, dass sich viele Patentanträge aber ausdrücklich auf die Tiere beziehen, dass gezielt ganze Herden geschützt werden sollen. Auch beim Schweinepatent, sagen die Gegner, erstrecke sich der Anspruch auf die Tiere und ihre Nachkommen. Doch so genau scheint das niemand zu wissen - ob die Lebewesen an sich wirklich unter den Patentschutz fallen, wird sich erst im Einspruchsverfahren herausstellen.

Nicht zu Unrecht fürchten viele Bauern, eines Tages von Patentinhabern verklagt zu werden. In den USA lässt der Konzern Monsanto seit Jahren Anwälte auf Landwirte los, die angeblich gegen seine Rechte an gentechnisch verändertem Saatgut verstoßen haben. Die protestierenden Bauern in München haben Angst vor einer Entwicklung, an deren Ende sie nur noch patentierte Tiere betreuen - und diese nur noch mit Genehmigung von Konzernen verkaufen dürfen.

Ein Problem aller Patente ist, dass sie Verbotsrechte sind. Der Inhaber kann mit dem Schutz seines geistigen Eigentums erreichen, dass Konkurrenten mit hohen Gebühren blockiert werden. Im Fall von Tieren und Pflanzen steht die freie Züchtung auf dem Spiel. Der schnelle Zugriff auf genetische Ressourcen war seit Jahrhunderten ein Recht aller Landwirte - nur so entstanden viele Nutztierrassen.

Noch ist es nicht so weit. In Deutschland stärken Gesetze die Rechte von Landwirten und Forschern. Doch solange die EU-Biopatentrichtlinie die Patentierung von natürlichen Züchtungsmethoden einerseits verbietet, andererseits mit schwammigen Formulierungen aber doch ermöglicht, wird kein Frieden einkehren zwischen Demonstranten und Patentprüfern.

Zehn Jahre haben Politiker über die Richtlinie gestritten. Sie sollten sich noch einmal an das Thema wagen und Patente auf Pflanzen wie Tiere eindeutig ausschließen. Denn auch das fetteste Zuchtschwein ist keine Maschine.

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