Psychologie:Wie Fotos die Illusion von Wahrheit erzeugen

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Zerschossener Panzer in der Ukraine: Bilder unterstreichen den Wahrheitsgehalt von Informationen ganz erheblich. (Foto: Vadim Ghirda/dpa)

Ein Bild lässt eine Nachricht glaubhafter wirken - selbst wenn es irrelevant ist. Dafür ist ein psychologischer Mechanismus verantwortlich, der dem Gehirn die Verarbeitung von Informationen erleichtert.

Von Sebastian Herrmann

Der ehemalige US-Präsident George W. Bush darf als Visionär betrachtet werden. Es war im Jahr 2002, als der Politiker den seither vielzitierten Ausspruch tat: "Ich verbringe nicht viel Zeit damit, Meinungsumfragen rund um die Welt durchzuführen, um herauszufinden, ob das, was ich glaube, richtig ist", sagte Bush und führte weiter aus: "Ich muss nur wissen, was ich fühle." Den Comedian Stephen Colbert inspirierte diese Aussage zu der Schöpfung des Wortes "Truthiness", das sich vielleicht als "Wahrheitlichkeit" übersetzen ließe. Beides, die Aussage des Ex-Präsidenten und die Wortkreation des Komikers, wirken heute wie ein weitsichtiges Vorwort zum gegenwärtigen Umgang mit Informationen, mit Wahrheit, Fake News oder Fakten. Breite Teile der Öffentlichkeit scheinen schlicht mit Inbrunst zu glauben, was sich für sie gut anfühlt - insbesondere bei so großen Themen wie dem Krieg in der Ukraine oder der Corona-Pandemie.

Psychologen treibt deshalb schon lange die Frage um, unter welchen Bedingungen sich Informationen jenseits der reinen Fakten wahr anfühlen - und verwenden dabei für ihre Studien gerne das Wort "Truthiness". Eine besonders überzeugende Kraft üben Bilder aus, wie gerade erst wieder Psychologen um Daniel Derksen von der Simon Fraser University in einer Studie demonstrieren. Solange ein Foto nur zum Thema passt, steigert dies die "Wahrheitlichkeit" einer Aussage. Wichtige Informationen muss das Bild hingegen nicht transportieren.

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Die Psychologen haben diesen Zusammenhang untersucht, indem sie teils absurde Quizfragen zur Bewertung vorlegten. Zum Beispiel mussten die Probanden beurteilen, ob Milch von Nilpferden pink gefärbt sei oder nicht. Präsentierten die Forscher die Fragen zusammen mit dem Foto eines der Tiere, hielten die Befragten die Aussage mit höherer Wahrscheinlichkeit für zutreffend. Dabei ließ sich aus dem Bild keinerlei relevante Information ableiten: Darauf war lediglich ein Nilpferd zu sehen, das im Wasser steht und dabei aussieht, wie Nilpferde nun einmal aussehen, die im Wasser stehen. Über die Farbe der Milch, mit der die Tiere ihre Jungen säugen, ließ sich aus dem Foto gar nichts ableiten.

Der gleiche Zusammenhang ist aus vielen weiteren Studien für andere Bereiche bekannt. Zeugenaussagen wird eher geglaubt, wenn diese mit irgendeinem Foto garniert werden. Nonsens-Behauptungen über Neurowissenschaften wirken glaubwürdiger, wenn man sie mit inhaltsleeren Bildern von Gehirnen serviert. Das Gleiche gilt für Behauptungen über Personen. Diese wirken seriöser, wenn sie mit Foto übermittelt werden. Aktuell in Pandemie- und Kriegszeiten gilt vermutlich: Das Bild einer FFP2-Maske oder eines zerschossenen Panzers mag wenig bis keine Informationen über einen konkreten Vorfall transportieren, erhöht aber die Glaubwürdigkeit der damit illustrierten Aussagen.

Treibende Kraft ist die sogenannte kognitive Verarbeitungsflüssigkeit: Ein Bild hilft, eine Aussage mental leichter zu verdauen und sich eine Aussage vorzustellen - selbst wenn das Foto keine Information transportiert. Alleine diese geistige Leichtigkeit erzeugt gute Gefühle. Und was sich gut anfühlt, kann selbst Spitzenpolitiker überzeugen.

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