Projekt Icarus:Tierbeobachtung aus dem All

Projekt Icarus startet

Zoologe Martin Wikelski mit einem besenderten Flughund im Kasanka-Nationalpark.

(Foto: dpa)
  • Kosmonauten haben eine neue Antenne an die Außenhülle der Internationalen Raumstation montiert.
  • Die Anlage ist das Herzstück von Icarus, einem seit Jahrzehnten geplanten Tierbeobachtungsprojekt.
  • Modernste Elektronik ersetzt das klassische Werkzeug der Vogelkundler - das Fernglas.

Der typische Vogelkundler reibt sich mit Mückenschutz ein, hängt sich ein Fernglas um und pirscht vorsichtig zu den Ruheplätzen der Tiere, die er gerne beobachten möchte. Der fortgeschrittene Ornithologe kann nun vom Weltall aus gleich ein paar tausend Tiere im Blick behalten.

Geleitet von dem deutschen Alexander Gerst haben die zwei Kosmonauten Oleg Artemjew und Sergej Prokopjew in einem fast siebenstündigen Außeneinsatz einen Mast samt Antenne an die Außenhülle der Internationalen Raumstation ISS montiert. Die Anlage ist das Herzstück von Icarus, einem seit Jahrzehnten geplanten Tierbeobachtungsprojekt, das einen Großteil der Erdkugel abdecken wird.

Icarus steht für: International Cooperation for Animal Research Using Space und dreht sich nich ausschließlich um Vögel. Mit der Antenne auf der ISS können Forscher auf der Erdoberfläche die Bewegungen aller Tiere beobachten, denen sie winzige Sender angeheftet oder umgebunden haben: Fledermäuse oder Wasserschildkröten, Ziegen oder eben auch Vögel. Man kann die Sender als Hightech-Variante des guten alten Vogelrings betrachten, mit denen Forscher seit dem 19. Jahrhundert Vögel markieren.

Das Auge im All soll aber nicht nur helfen, Migrationsbewegungen von Tieren im großen Stil rund um den Erdball zu verfolgen, was mit erdgebundenen Antennen nicht so einfach möglich ist, auch Medizin und Katastrophenschutz sollen profitieren. Icarus soll einmal als als Frühwarnsystem für Epidemien und Naturkatastrophen wie Erdbeben und Vulkanausbrüche dienen.

Schon lange gibt es Berichte, dass Tiere vor solchen Ereignissen unruhig werden - etwa Ziegen sich am Ätna vor Eruptionen auffällig bewegen. Diesen vermeintlichen siebten Sinn wollen Forscher mithilfe von Icarus nutzen. "Das System erlaubt uns nicht nur zu beobachten, wo ein Tier ist, sondern auch, was es gerade tut", sagt Martin Wikelski, Direktor am Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell, er hat das Projekt vor mehr als 16 Jahren erdacht und konzipiert. "Wir könnten ein globales System intelligenter Sensoren einsetzen, um die Welt zu beobachten."

Im Rahmen von Icarus sind viele solche Untersuchungen geplant. So wollen Forscher etwa Papageien in Nicaragua in der Nähe eines Vulkans beobachten, Ziegen im Erdstoß-geplagten Mittelitalien mit Sendern ausstatten, Bären als Erdbebenwächter auf der ostrussischen Halbinsel Kamtschatka nutzen. "Wir fangen jetzt damit an, Tiere an Orten zu besendern, wo Naturkatastrophen auftreten", sagt Icarus-Koordinatorin Uschi Müller.

Zunächst sind 1000 Sender geplant, die Zahl soll rasch steigen. "Letztlich wollen wir 100 000 tierische Spürhunde für die Menschheit", sagt Wikelski. "Wenn wir all diese Informationen kombinieren, erhalten wir ein völlig anderes und neues Verständnis vom Leben auf diesem Planeten."

Eine Sojuz-Rakete hatte die Antenne bereits im Februar zur ISS gebracht. Nach der Montage beginnt nun eine dreimonatige Testphase. Anfang 2019 soll das System dann in Regelbetrieb gehen. Beteiligt sind neben der russischen Raumfahrtagentur Roskosmos vor allem die Max-Planck-Gesellschaft, das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) und die Universität Konstanz. Die deutschen Partner finanzieren die Entwicklung der Technik, die Russen kümmern sich um den Transport und die Installation im All.

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