Einen Gegner im Genick zu wissen, erleichtert das Leben. Es ist hier, natürlich, nicht die Rede von Personen, die anderen in Mordabsicht auflauern. Vielmehr geht es um: gefühlte Feinde. Menschen wittern diese Widersacher abhängig von ihrer Weltanschauung in unterschiedlichen Gruppen und Kollektiven. Korrupte Eliten, die Hochfinanz, die Medien, das Patriarchat, die So-und-so-Lobby oder die Angehörigen einer Religion oder Ethnie: Die Feindbilder sind divers. Gemein ist all diesen Vorstellungen, dass sie den daran Glaubenden das Gefühl verleihen, zu den Guten zu gehören.
Zudem lindert dies die Last der Eigenverantwortung, alles persönliche Unglück hat ja vermeintlich seinen Ursprung darin, dass "die da" ein Fortkommen systematisch sabotieren. In dieser schwarz-weißen Welt populistischen Denkens nehmen Hass und Selbstgerechtigkeit einander an die Hand: Es sind die Bösen selbst, die uns zwingen, sie zu verachten.
Wer mit einem simplen Feind-Freund-Schema durch die Welt läuft, kollidiert ständig mit den Weltanschauungen anderer Menschen
Für Psychologen stellt der Hass der Selbstgerechten ein Henne-und-Ei-Problem dar. Die Frage lautet: Entfacht der Populismus den Hass erst richtig oder leben die politischen Schwarz-Weiß-Regisseure vielmehr von bereits vorhandenem Hass? Ist Hass also mehr Voraussetzung oder mehr Ergebnis von Populismus? Psychologen um Cristhian Martínez und Jan-Willem van Prooijen von der Freien Universität Amsterdam neigen nach der Analyse der Daten von etwas mehr als 2500 Probanden der zweiten Variante zu: Es sei wahrscheinlicher, dass populistische Strömungen Hass in ihren Anhängern erst richtig aufwallen lassen. Wut, Enttäuschung, Ärger und andere Zustände treiben Menschen in die Arme der Prediger simpler Botschaften, wo sie dann richtig aufgepeitscht werden.
Populismus, so die Psychologen, zeichne sich dadurch aus, dass er einen Gegensatz zwischen bösen Eliten und guten Menschen betone und über negative Emotionen mobilisiere. Zu Hause seien diese Strömungen, so Martínez und van Prooijen, sowohl in der rechten als auch in der linken Ecke des politischen Boxrings. In Deutschland sortieren die Psychologen sowohl die AfD als auch Die Linke in das Lager des Populismus ein. Deren Feindbilder mögen sich unterscheiden, so das Argument, aber Parteien wie diese präsentierten beide einen simplen Gegensatz von Gut und Böse, Oben und Unten.
Folgt man den Psychologen, entfesselt dieses simple Schwarz-Weiß-Denken die Hassspirale. Wer in den Tests der Psychologen Neigungen zu populistischem Denken offenbarte, gab in einer zweiten Befragung etwas stärkere Hassgefühle gegenüber konkreten Individuen und abstrakten Personengruppen an. Allerdings sind die Ergebnisse mit etwas Vorsicht zu betrachten, da der Zeitraum zwischen erster und zweiter Untersuchung mit zwei Monaten ziemlich knapp war.
Plausibel klingt es aber, dass Anhänger populistischer Ideen ihre Haltung im Laufe der Zeit auf negativ zuspitzen. Wer mit einem simplen Feind-Freund-Schema durch die Welt läuft, kollidiert ständig mit den Weltanschauungen anderer Menschen. Die Bösen sehen ja selten ein, dass sie die Bösen sein sollen, und kontern Angriffe in eigener giftiger Selbstgerechtigkeit. Am Ende baden sie gemeinsam in den heißen Quellen ihres Hasses.