Plötzlicher Kindstod:Schnuller rein!

Rückenlage, Schnuller und keinesfalls ein Kuscheltier: Wie Eltern das Risiko für den plötzlichen Kindstod verringern können.

Werner Bartens

Die wichtigste Empfehlung lautet immer noch "Back to sleep". Das Wortspiel, das die Begriffe "Rückenlage" und "zurück" beinhaltet, soll Eltern zeigen, wie sie das Risiko für plötzlichen Kindstod verringern können: Indem sie Kinder im ersten Lebensjahr konsequent flach auf dem Rücken schlafen lassen.

Schnuller, dpa

Ein Kind schläft mit Schnuller im Mund. Das kann das Risiko für plötzlichen Kindstod offenbar verringern.

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"Seit sich immer mehr Eltern daran halten, sind Fälle von plötzlichem Kindstod stark zurückgegangen", sagt Florian Heinen, Professor für Nervenerkrankungen am Haunerschen Kinderspital der Universität München.

Gab es 1990 in Deutschland laut Statistischem Bundesamt noch 1283 Fälle von plötzlichem Kindstod (ein Fall auf 705 Lebendgeborene), sank die Zahl nach den ersten Empfehlungen der Rückenlage zu Beginn der neunziger Jahre kontinuierlich bis auf 323 im Jahr 2004 ab (ein Fall auf 2184 Lebendgeborene).

Pro Schnuller

Die Vereinigung der amerikanischen Kinderärzte hat kürzlich Empfehlungen vorgestellt, die helfen sollen, dass der plötzliche Kindstod noch seltener vorkommt. In der kommenden Samstag erscheinenden Ausgabe des Fachblatts Pediatrics können die Ratschläge detailliert nachvollzogen werden (Bd.116, S.1245 und S.716e, 2005). Die letzte Empfehlung stammte aus dem Jahr 2000.

Überraschend an den neuen Empfehlungen ist das Lob des Schnullers. Die Auswertung neuer Studien hat nämlich ergeben, dass mit dieser Art Einschlafhilfe ein Fall von plötzlichem Kindstod unter 2733 Kindern vermieden werden kann. Allerdings sollte der Schnuller frühestens nach vier Wochen verwendet werden und auch nur zum Einschlafen - und nicht wieder eingestöpselt werden, wenn er im Schlaf herausgefallen ist.

Neu ist auch, dass kleine Kinder nicht mit den Eltern im Bett schlafen sollten. Besser ist das Bett im Elternschlafzimmer oder nebenan. Noch vor wenigen Jahren hatten Ärzte vermutet, dass der Herzschlag der Eltern das Kind beruhigt und das elterliche Bett daher angeraten sei.

Möglichst ungemütlich

Neben Einzelbett, Schnuller und Rückenlage wird empfohlen, kleine Kinder auf festen Matratzen schlafen zu lassen. Auch sonst sollten es Kinder - aus Gesundheitsgründen - möglichst ungemütlich haben, wenn sie schlafen: Schaffelle, große Schmusetiere, Kissen und andere Kuschelutensilien gehören nicht in Betten von Kindern unter einem Jahr.

Schnuller rein!

Denn viele Studien haben ergeben, dass Kinder, die überraschend im Bett starben, auf dem Bauch lagen, das Gesicht in weiche Polster vergraben. Zwar ist die genaue Ursache für plötzlichen Kindstod noch immer unklar. Vermutet wird aber, dass die Kinder in der Mehrzahl der Fälle nicht genügend Luft bekamen und nicht, dass unerkannte Infektionen oder Ersticken an Erbrochenem der Grund sind.

Das Risiko für plötzlichen Kindstod wird ebenfalls verringert, wenn die Mutter während der Schwangerschaft nicht raucht und die Eltern auch nach der Geburt nicht rauchen.Das Kinderschlafzimmer sollte nicht überhitzt sein und das Kind auch nicht zu warm "eingepackt". Als Temperaturempfehlung gilt, dass sich ein leicht bekleideter Erwachsener in dem Raum wohl fühlen sollte.

Kopf rechts, Kopf links

Dass immer mehr Eltern ihre Kinder mittlerweile auf den Rücken legen, hat nicht nur die Fälle von plötzlichem Kindstod verringert. "Die motorische Entwicklung der Kinder ist durch die Rückenlage etwas verspätet", sagt Florian Heinen. "In der Bauchlage werden die Kinder dazu animiert, mehr zu strampeln und sich früher zu bewegen."

Die leichte Entwicklungsverzögerung habe aber keinerlei klinische Konsequenzen, sagt Heinen. Nur die Lehrbücher, in denen Zeitangaben für typische Entwicklungsschritte angegeben werden, müsse man künftig umschreiben.

Eine weitere Empfehlung der Kinderärzte könnte aus praktischen Gründen scheitern. Um eine Abflachung des Hinterkopfs in Rückenlage zu verhindern, raten Mediziner, Kinder eine Woche den Kopf nach rechts legen zu lassen, eine Woche nach links.

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