Umwelt:170 Billionen Plastikteilchen schwimmen in den Meeren

Umwelt: Plastiktüte oder Qualle? Für Schildkröten ist das oft nicht leicht zu unterscheiden.

Plastiktüte oder Qualle? Für Schildkröten ist das oft nicht leicht zu unterscheiden.

(Foto: imago/OceanPhoto)

Seit dem Jahr 2005 hat die Vermüllung der Ozeane mit Plastik offenbar dramatisch zugenommen. Die Folgen für die Meeresbewohner sind verheerend.

Von Tina Baier

Strohhalme aus Papier, die Einmal-Plastiktüte aus dem Supermarkt verbannt, Kaffee in der Kantine nur noch im eigenen Thermobecher: Gefühlt wird zumindest in Deutschland einiges getan, um die Menge des Plastikmülls zu reduzieren. Doch weltweit nimmt die Plastikflut kontinuierlich zu. Allein auf der Oberfläche der Meere schwimmen einer aktuellen Studie zufolge inzwischen 170 Billionen Plastikteilchen.

Die Autoren und Autorinnen der Untersuchung im Wissenschaftsjournal Plos One werteten Daten zu im Meer schwimmendem Plastikmüll aus, die andere Forschergruppen im Zeitraum zwischen 1979 und 2019 an insgesamt 11 777 Standorten gesammelt hatten. Die Plastikverschmutzung der Weltmeere habe ein "beispielloses Ausmaß" angenommen, schreiben die Forschenden.

Demnach hat die Vermüllung der Meere mit Plastikteilchen seit dem Jahr 2005 stark zugenommen. Von 1979 bis 1990 gab es demnach keinen nennenswerten Anstieg der Plastikkonzentration in den Meeren, im Zeitraum zwischen 1990 und 2005 schwankte die Plastikbelastung mit Ausschlägen nach oben und nach unten, blieb aber unterm Strich konstant. Den starken Anstieg seit 2005 führen die Forschenden vor allem auf die verstärkte Produktion von Plastikprodukten zurück, die weiter exponentiell wachse. Die Bemühungen, Plastik zu vermeiden und zu recyceln, fielen im Vergleich dazu kaum ins Gewicht.

Seevögel füttern ihre Küken mit Verschlusskappen

Nach Angaben des Naturschutzbunds Deutschland gelangen etwa 80 Prozent des Plastikmülls über Flüsse in die Ozeane. Dort treiben unter anderem Plastiktüten, PET-Flaschen, Feuerzeuge, Zigarettenkippen, aber auch Einmalrasierer. 20 Prozent des Plastikmülls gelangen direkt ins Meer: oft handelt es sich um Bojen oder verlorene Ausrüstung von Schiffen oder Öl- und Gasplattformen. Ein großes Problem sind auch Geisternetze: alte Fischernetze, die im Ozean treiben, und in denen sich Meeresschildkröten, Wale und Delfine verfangen und dann jämmerlich ertrinken, weil sie nicht mehr zum Luftholen auftauchen können.

Aber auch kleinere Plastikteilchen haben verheerende Auswirkungen auf die Meeresbewohner. Viele Tiere verwechseln sie mit Nahrung; Biologen beobachten immer wieder Seevögel, die sogar ihre Küken mit Verschlusskappen füttern. Nach Angaben der Umweltschutzorganisation WWF nehmen Plastikteile im Meer einen Geruch an, der von vielen Vögeln mit dem Geruch von Nahrung verwechselt wird. Wenn sie zu viel Plastik fressen, bekommen die Tiere tödliche Verstopfungen oder verhungern mit plastikvollem Bauch. Auch Lederschildkröten verwechseln im Wasser treibende Plastiktüten mit Quallen, ihrer Lieblingsmahlzeit. Häufig werden auch Wale gefunden, deren Mägen mit Plastik gefüllt sind.

Noch wenig erforscht sind die Auswirkungen von Mikroplastik im Meer: winzige, mit bloßem Auge nicht mehr zu erkennende Partikel, die unter anderem entstehen, wenn größere Teile zersetzt werden. "Mikroplastik wird vom Plankton aufgenommen, der wiederum von vielen anderen Tieren gefressen wird", sagt Heike Vesper, Meeresschutzexpertin beim WWF. "Das Mikroplastik lagert sich im Körpergewebe der Meeresorganismen ab und reichert sich in der Nahrungskette an." An die winzigen Teilchen heften sich zudem Schadstoffe an, sodass auch die Konzentration schädlicher Substanzen in den Körpern von Meerestieren ansteigt. Durch den Verzehr von belasteten Fischen können sie auch in den menschlichen Körper gelangen.

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