Pilze:Wie Schmarotzer Parasiten beim Sex betrügen

Lesezeit: 2 min

Wenn das nicht hinterhältig ist: Erst tut er so, als sei er ein Sexualpartner, dann befällt der Tuberculina genannte Pilz seine Verwandten, unterbricht ihre Fortpflanzung und nutzt sie schamlos aus. Darauf deuten Forschungen Tübinger Biologen.

Den Wissenschaftlern zufolge ist die violette Wurzelfäule, der bei Gartenliebhabern verhasste Pilz Tuberculina,, gerade auch wegen seiner Sex-Betrügerein so erfolgreich.

Sein Opfer ist der Rostpilz, der auf Birnbaum-Blättern Nährstoffe für sich selbst abzweigt und große braune Pusteln bildet.

"Nur wenn der Rostpilz sich im Frühjahr auf sexuelle Fortpflanzung einstellt, kann er von den Helicobasidium-Sporen befallen werden", berichtet Robert Bauer von der Universität Tübingen.

"Wir glauben, dass es sich bei dem Infektionsprozess um eine uminterpretierte Sexualfunktion handeln könnte. Tuberculina macht sich an den Rostpilz heran und dieser macht keine Anstalten, den Eindringling abzuwehren.

Der Sexualvorgang scheint eingeleitet zu werden, wird aber dann abgewandelt; statt Sex parasitiert Tuberculina auf dem Rostpilz", erklärt Matthias Lutz, dessen Doktorarbeit über die Pilze bereits mit zwei Preisen ausgezeichnet wurde.

Auf dem Rostpilz wachsend kann Tuberculina eine andere Sorte Sporen bilden, um weitere Rostpilze zu infizieren, berichten die Wissenschaftler. Tuberculina wächst dazu mit seinen Ausläufern, den so genannten Hyphen, in den Rostpilz ein. Dieser kann nun keine Sporen mehr produzieren und sich auch nicht weiter ausbreiten kann.

"Ungewöhnlich ist auch, wie s tark sich Wirt und Parasit hier verbinden. Die Zellwand beider Pilze wird aufgelöst, die Zellen verschmelzen. Dann wandern Zellkerne des Parasiten in die Zellen des Rostpilzes ein", sagt Bauer, der Proben von Tuberculina auf Rostpilzen mit dem Elektronenmikroskop untersucht hat.

Sowohl Pflanzen als auch Pilze werden befallen

Zudem, so berichten die Forscher, sei der Pilz aus einem anderen Grund eine biologische Sensation: Es handelt sich um die erste bekannte Art, die sowohl Pflanzen als auch Pilze befällt.

Sie löst die Wurzelfäule bei einigen Obstbäumen sowie bei Astern, Farnen, Spargel oder Karotten aus. Je nach Angebot kann der Parasit also Pflanzen und Pilze befallen - und ist somit ein interessantes Forschungsmodell für Formen des Parasitismus und die Evolution im Allgemeinen.

Tuberculina ist sehr verbreitet, aber so unauffällig, dass nur einige Spezialisten den Pilz erkennen. "Die beiden Pilze sehen sich so ähnlich und sind dabei so eng miteinander verbunden, dass man Probleme hat, zwei verschiedene Arten darin zu erkennen", sagt Bauer.

Tatsächlich hat ihr Kollege Dominik Begerow bei der genetischen Analyse festgestellt, dass der Rostpilz und sein Parasit Tuberculina zwar unterschiedliche Arten sind, aber verblüffend eng miteinander verwandt sein müssen.

Gleichzeitig fanden die Wissenschaftler heraus, dass Tuberculina genetisch identisch ist mit der Art Helicobasidium.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: