Süddeutsche Zeitung

Pilze:Hausmeister des Regenwalds

Es scheint paradox: Krank machende Pilze sorgen im Regenwald für eine gesunde Baum-Vielfalt. Denn die Pilze spielen Schiedsrichter im Dschungel.

Von Katrin Blawat

Die Strippenzieher sind oft unsichtbar, das gilt auch im tropischen Regenwald. Charakteristisch für diesen Lebensraum ist die ungeheure Vielfalt der verschiedenen Baumarten: Mehr als 200 verschiedene Spezies wachsen mancherorts auf einem Hektar. Doch reguliert wird diese Vielfalt von Mikroorganismen im Boden - und zwar von solchen, die häufig als Schädlinge angesehen werden, weil sie Pflanzen krank machen können.

Experimente eines Teams um Robert Bagachi von der University of Oxford haben nun die Identität der verborgenen Strippenzieher im Regenwald geklärt: Es sind Pilze, die maßgeblich darüber bestimmen, wie viele verschiedene Keimlinge heranwachsen (Nature, online).

Pilze verhindern Dominanz

Die Biologen untersuchten mehrere kleine Parzellen Regenwald, die sie über einen Zeitraum von 17 Monaten jeweils unterschiedlich behandelten. Dabei vermuteten die Forscher bereits, dass entweder Pilze oder aber Insekten großen Einfluss auf die Vielfalt der Keimlinge haben würden. In einem Teil der Untersuchungsgebiete setzten die Forscher daher ein Anti-Pilzmittel ein, in anderen Arealen ein Insektizid, und ein dritter Typ von Parzellen blieb zur Kontrolle ohne jedes Gift. In den mit Fungiziden behandelten Arealen sank daraufhin die Anzahl der verschiedenen Keimlinge um 16 Prozent. Das Insektengift hingegen veränderte zwar die Zusammensetzung der verschiedenen Keimlinge, reduzierte aber insgesamt nicht deren Vielfalt.

Was aber steckt hinter der Macht der Pilze? Biologen beantworten diese Frage mit der sogenannten Janzen-Connell-Hypothese. Vor gut 40 Jahren postulierten die Ökologen Daniel Janzen und Joseph Connell, dass Krankheitserreger oder Schädlinge, die sich auf einige wenige Pflanzenarten spezialisiert haben, umso mehr Schaden in der Population ihrer Wirtsgewächse anrichten, je stärker diese Pflanzen vertreten sind. Daher ist es für eine Art günstiger, in geringerer Dichte zu wachsen. Dies wiederum lässt genug Platz, den andere Spezies einnehmen können.

Obwohl diese Hypothese seit Langem als plausibel gilt, gab es bisher nur wenige experimentelle Belege dafür. Und noch weniger sicher waren sich Biologen, welche Organismen entscheidend sind. "Es wurde lange vermutet, dass irgendetwas im Boden verantwortlich ist", sagt Koautor Owen Lewis, "und wir haben jetzt gezeigt, dass Pilze eine wichtige Rolle spielen. Sie hindern eine einzelne Pflanzenart daran, den Regenwald zu dominieren. Wenn an einer Stelle viele Pflanzen der selben Art wachsen, reduzieren die Pilze diese Population schnell wieder."

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Quelle:
SZ vom 23.01.2014/chrb
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