Energie:Wie der Kohleausstieg dem Klima schaden könnte

Bundeskabinett - Kohleausstieg

Die Verbrennung von Braun- und Steinkohle ist äußerst CO₂-intensiv.

(Foto: dpa)
  • Der geplante Kohleausstieg könnte unerwartete Folgen haben, warnen Klimaforscher.
  • Die Abschaltung deutscher Kohlekraftwerke könne die Preise für Emissions-Zertifikate fallen lassen und so zur Verlagerung des CO₂-Ausstoßes ins Ausland führen.
  • Ein CO₂-Preis von 30 bis 60 Euro pro Tonne könnte diesen unerwünschten Effekten entgegenwirken.

Von Christoph von Eichhorn

Der Vorschlag der deutschen Kohlekommission, bis 2038 aus der Energieerzeugung mit Kohle auszusteigen, könnte unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen den Ausstoß von Treibhausgasen ankurbeln und damit dem Klima schaden. Davor warnen Klimaökonomen des Potsdam Instituts für Klimafolgenforschung (PIK). Verhindern könne dieses Szenario ein wirksamer CO₂-Preis.

Zwei Effekte des Kohleausstiegs halten die Experten für kontraproduktiv. Wenn Kohlekraftwerke in Deutschland vom Netz gehen, sinke das Angebot von Strom auf dem Markt, damit steige der Strompreis, argumentieren die Forscher im Fachjournal Energiewirtschaftliche Tagesfragen. Damit könnten die verbleibenden Kohlekraftwerke vermehrt kostendeckend produzieren. Fahren sie ihre Produktion aufgrund der höheren Profite hoch, steigt auch ihr CO₂-Ausstoß.

Zweitens lasse der Kohleausstieg die Nachfrage nach Verschmutzungs-Zertifikaten im Rahmen des europäischen Emissionshandels fallen. Nach dem Gesetz von Angebot und Nachfrage wird es damit günstiger, fossile Kraftstoffe zu verbrennen. Stromproduzenten im Ausland könnten diese billigen Emissionszertifikate aufkaufen und ihren CO₂-Ausstoß steigern. Die Emissionen würden somit nicht verhindert, nur über die Grenzen verlagert.

Eine CO₂-Steuer, Mehr Emissionshandel oder ein Mindestpreis stehen zur Debatte

"Deshalb sollte man jetzt gegensteuern: mit einer verlässlichen und gerechten Bepreisung von CO₂", fordert Michael Pahle, der Erstautor der PIK-Studie. Es bestehe sonst das Risiko, "dass ein Kohleausstieg allein durch Abschaltungen von Kraftwerken das Gegenteil von dem bewirkt, was er bewirken soll". Nach den Berechnungen würde ein Preis von 30 bis 60 Euro pro Tonne Kohlendioxid helfen, die nationalen Klimaziele zu erfüllen, ohne die Emissionen ins Ausland zu verschieben.

Mehrere Möglichkeiten werden dafür diskutiert: Eine CO₂-Steuer, die etwa auf fossile Energieträger wie Benzin oder Heizöl aufgeschlagen wird, um klimafreundlichere Technologien attraktiver zu machen. Oder die Ausweitung des Emissionshandels auf Sektoren wie Verkehr und Gebäude. Die PIK-Forscher bringen eine weitere Idee ins Spiel: die Einführung eines Mindestpreises für Emissions-Zertifikate, ähnlich eines Mindestgebots auf Ebay. Liegt der Marktpreis unterhalb einer solchen Grenze, würden automatisch Zertifikate zurückgehalten und gelöscht. Eine solche Löschung wäre jedoch teuer: Die Experten beziffern die Kosten mit "grob 19 Milliarden Euro" für Deutschland bis 2050, vor allem infolge fehlender Einnahmen durch die Auktionen.

Diese Woche äußerte sich auch Kanzlerin Angela Merkel zur Debatte um einen CO2-Preis. Das Klimakabinett der Bundesregierung werde sich bis Mitte Juni mit einem möglichen Preismechanismus auseinandersetzen, sagte die Kanzlerin auf einem Termin des Rats für nachhaltige Entwicklung. Eine europäische Regelung sei dabei am wirkungsvollsten.

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