Physikalische Menschlichkeit:Wärme macht warmherzig

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Wie wir über Andere denken, wird von äußeren Temperaturen beeinflusst. Dazu genügt offenbar schon ein heißer Kaffe in der Hand.

Tina Baier

Wer beim Flirten einen guten Eindruck machen will, sollte das bei einem warmen Kaffee tun. Eisessen ist dagegen weniger zu empfehlen. Zwei amerikanische Psychologen haben nämlich entdeckt, dass physikalische Temperaturen auch zwischenmenschlich wirken.

Ein heißer Kaffee in der Hand führt zu einer positiven Einschätzung Anderer. (Foto: Foto: AFP)

Ein heißer Kaffee in der Hand führt nicht nur zu einer positiven Einschätzung anderer, sondern macht auch "warmherziger" ( Science, Bd.322, S.606, 2008).

Lawrence Williams von der University of Colorado in Boulder und John Bargh von der Yale University ließen ihre Versuchsteilnehmer jeweils von einer Assistentin in der Lobby abholen und mit dem Aufzug in den vierten Stock bringen.

Die Frau war schwer beladen mit zwei Fachbüchern und einer Schreibunterlage. Bei der Hälfte der Studienteilnehmer balanzierte sie außerdem eine Tasse mit warmem Kaffee, bei der anderen Hälfte einen Eiskaffee. Im Aufzug bat sie den Probanden, kurz das jeweilige Getränk zu halten - angeblich um sich ein paar Notizen zu machen.

Nachdem sie diese beendet hatte, nahm sie der Testperson das Getränk wieder ab. Im Versuchsraum bekamen die Probanden dann Informationsmaterial über einen fiktiven Menschen. Anschließend sollten sie der beschriebenen Person Charaktereigenschaften zuordnen. Versuchsteilnehmer, die im Aufzug die warme Tasse Kaffee gehalten hatten, wählten dabei signifikant häufiger die Eigenschaft "warmherzig" als diejenigen, die den Eiskaffee halten mussten.

"Wenn wir einen anderen Menschen als 'warm' beschreiben, denken wir dabei eigentlich nicht an physikalische Wärme", sagt Lawrence Williams. "Doch unsere Ergebnisse zeigen, dass die doppelte Bedeutung des Wortes 'warm' nicht zufällig ist."

In einem zweiten Experiment glaubten 53 Versuchsteilnehmer, die Produkteigenschaften einer Heiß-Kalt-Kompresse zu testen. Die Hälfte der Probanden bekam eine gefrorene, die andere Hälfte eine angewärmte Kompresse.

Nachdem sie auf einem Fragebogen die Wirksamkeit des Hot-Cold-Packs beurteilt hatten, kam die für das Experiment eigentlich entscheidende Frage: Die Teilnehmer sollten angeben, ob sie als Belohnung lieber eine Flasche Fruchtsaft oder einen Gutschein für ein Eis mitnehmen würden.

Bei der Hälfte der Fragebögen wurde der Saft als "Mitbringsel für einen Freund" bezeichnet, der Gutschein als "persönliche Belohnung", bei der anderen Hälfte war es umgekehrt. Die Auswertung ergab, dass 75 Prozent der Probanden, die eine kalte Kompresse in den Händen gehalten hatten, die persönliche Belohnung wählten - unabhängig davon, ob es sich dabei um das Getränk oder das Eis handelte.

Dagegen entschieden sich 54 Prozent derjenigen, die die warme Kompresse gehalten hatten, für das Mitbringsel; nur 46 Prozent aus dieser Gruppe wollten die persönliche Belohnung. "Offensichtlich beeinflusst die physikalische Temperatur nicht nur unser Urteil über andere Menschen sondern auch unser eigenes Verhalten", sagt John Bargh. "Physikalische Wärme macht uns selbst auch 'wärmer'."

Physische und psychische Wärme im Gehirn eng verknüpft

Dieser Zusammenhang wird durch neurobiologische Untersuchungen bestätigt. Diese zeigen, dass die Empfindung von physischer und psychischer Wärme in derselben Hirnregion lokalisiert ist. Die so genannte Inselrinde, die etwa die Größe einer Zwei-Euro-Münze hat, ist bei Probanden aktiv, die etwas Warmes oder etwas Kaltes anfassen - aber auch bei Personen, die sich ausgeschlossen oder zurückgewiesen fühlen.

Dass physische und psychische Wärme im Gehirn so eng miteinander verknüpft sind, könnte nach Einschätzung von Williams und Bargh mit angenehmen Erfahrungen aus der Babyzeit zusammenhängen. Die Mutter hält ihr Kind nicht nur warm, sondern gibt ihm auch das Gefühl von Sicherheit und Vertrauen. "Das Gefühl der Wärme, das eine heiße Tasse Kaffee oder eine warmes Bad auslöst, aktiviert im Gehirn möglicherweise diese Erinnerungen", schreiben die Autoren in Science.

Vielleicht auch deswegen sind Einschätzungen wie "warmherzig", oder "kaltschnäutzig" in zwischenmenschlichen Beziehungen ein zentrales Kriterium. Das zeigten bereits die Versuche des Sozialpsychologen Solomon Asch im Jahr 1946. In einem berühmt gewordenen Experiment legte er Versuchsteilnehmern eine Liste mit Eigenschaften vor, die zwei unterschiedliche Personen charakterisierten.

Beide wurden als intelligent, geschickt, fleißig, entschlossen und vorsichtig bezeichnet. Der einzige Unterschied war, dass Person A als "warm" beschrieben wurde, Person B dagegen als "kalt".

Danach sollten Aschs Probanden, den fiktiven Personen weitere Charaktereigenschaften zuordnen. A wurde vor allem positiv charakterisiert - großzügig, klug, glücklich, humorvoll und selbstlos, B wurde dagegen als unglücklich, geizig, unsicher und rücksichtslos eingeschätzt.

© SZ vom 24.10.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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