Physik-Nobelpreis für Sterndeuter:Nachrichten vom Ende des Universums

Die Akademie der Wissenschaften in Stockholm hat die Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2011 verkündet. Die Auszeichnung geht an die Amerikaner Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt für "die Entdeckung der beschleunigten Ausbreitung des Universums durch Beobachtung entfernter Supernovae".

Die Akademie der Wissenschaften in Stockholm hat die Physik-Nobelpreisträger des Jahres 2011 verkündet: Die Auszeichnung geht an die Amerikaner Saul Perlmutter, Adam Riess und Brian Schmidt für die "Entdeckung der beschleunigten Ausbreitung des Universums durch Beobachtung entfernter Supernovae".

Mit ihrer Forschung hätten sie das Verständnis des Universums verändert, betonte das Nobelkomitee.

Die renommierte Auszeichnung ist ebenso wie die übrigen Preise mit zehn Millionen schwedischen Kronen (etwa eine Million Euro) dotiert. Die Hälfte des Preises geht an Perlmutter, der am Lawrence Berkeley National Laboratory und der University of California in Berkeley arbeitet. Die andere Hälfte teilen sich Riess und Schmidt. Riess arbeitet an der Johns Hopkins University und dem Space Telescope Science Institute in Baltimore. Schmidt ist in den USA geboren, arbeitet aber an der Australian National University, Weston Creek in Australien.

Die Forscher "haben Dutzende Sternenexplosionen, sogenannte Supernovae, beobachtet und entdeckt, dass das Universum sich mit ständig zunehmender Geschwindigkeit ausweitet", begründete das Nobekomitee die Entscheidung.

Zuvor war nur bekannt gewesen, dass sich unser Kosmos ausdehnt. Die Forscher konnten mit ihrer Arbeit 1998 aber nachweisen, dass sich diese Ausdehnung noch beschleunigt. Die Entdeckung war total überraschend - sogar für die Forscher selbst.

Es waren zwei Teams von Wissenschaftlern, die gleichzeitig zu dieser Erkenntnis kamen. Zum einen war es die Gruppe um Saul Perlmutter, die sich bereits seit 1988 mit dem Supernova Cosmology Project beschäftigte, zum anderen die Forscher um Brian Schmidt, die 1994 das High-z Supernova Seach Team ins Leben gerufen hatten. Wichtiges Mitglied der Gruppe war Adam Riess.

Beide Teams fanden sich in einem Wettkampf wieder, bei dem es darum ging, die am weitesten entfernten Supernovae aufzuspüren. Mit Hilfe der Aufnahmen der explodierten Sterne hofften sie, die Geschwindigkeit festzustellen, mit dem sich diese von der Erde wegbewegen. Zwar gehen die Astronomen schon seit bald 100 Jahren davon aus, dass sich das Universum aufgrund des Urknalls vor etwa 14 Milliarden Jahren ausdehnt. Ursprünglich waren die Forscher um Perlmutter, Schmidt und Riess aber angetreten, um Anzeichen für eine sich abschwächende Ausdehnung des Universums zu finden.

Stärkere Teleskope und schnellere Computer ermöglichten es den Astrophysikern im Lauf der neunziger Jahre, immer bessere Informationen über die Supernovae zu sammeln. Dabei konzentrierten sich die Teams auf eine spezielle Art von Supernovae der Kategorie Ia. Dabei handelt es sich um alte, vergleichsweise kleine Sterne am Ende ihrer Lebenszeit. Sie sind so massereich wie die Sonne, allerdings so klein wie die Erde. Eine einzige solche Supernova kann so viel Licht erzeugen wie eine gesamte Galaxie.

Bahnbrechende Überraschung

Insgesamt fanden die Wissenschaftler mehr als 50 solcher weit entfernten Supernovae. Und anhand der Daten stellten sie fest, dass sich das Universum nicht immer langsamer ausdehnt, sondern immer schneller. Dass zwei Forscherteams zum gleichen Ergebnis kamen, bestärkte sie in dieser Annahme.

Physik-Nobelpreis für Sterndeuter: Die Überreste einer Supernova, aufgenommen vom Chandra-Röntgenteleskop und dem NRAO's Very Large Array (VLA). Anhand der Beobachtung von Supernovae haben die Physik-Nobelpreisträger die beschleunigte Ausbreitung des Universums entdeckt.

Die Überreste einer Supernova, aufgenommen vom Chandra-Röntgenteleskop und dem NRAO's Very Large Array (VLA). Anhand der Beobachtung von Supernovae haben die Physik-Nobelpreisträger die beschleunigte Ausbreitung des Universums entdeckt.

(Foto: AP)

Das Ergebnis sei eine bahnbrechende Überraschung gewesen, erklärt das Nobelpreiskomitee und vergleicht das Ergebnis mit einem Ball, den man in die Luft wirft, und der dann immer schneller aufsteigt, anstatt wieder herunterzufallen.

Das Universum kühlt aufgrund der Ausdehnung ständig ab. "Some say the world will end in fire; some say in ice ...", zitiert das Nobelpreiskomitee aus einem Gedicht von Robert Frost. Und den Erkenntnissen der Astrophysiker zufolge wird es wahrscheinlich das Schicksal des Universums sein, "im Eis zu enden".

Das ist aber nicht die wichtigste Schlussfolgerung, die die Erkenntnisse der Forscher nahelegt. Die zunehmende Geschwindigkeit der Ausdehnung deutet darauf hin, dass das Universum von einer unbekannten Form von Energie auseinandergezogen wird - der sogenannten Dunklen Energie. Diese Energie, die mehr als 70 Prozent des Universums ausmachen soll, ist noch immer eines der größten Rätsel der Physik. Den Rest des Universums stellt Materie dar.

Von dieser machen jedoch nur fünf Prozent jene Materie aus, aus der Sterne, Planeten, Menschen, Tiere und Pflanzen bestehen. Alle übrige Materie wird als Dunkle Materie bezeichnet - und über sie wissen wir so gut wie nichts. Wie die Dunkle Energie "kennen wir sie nur über ihre Effekte - die eine drückt, die andere zieht. Und gemeinsam haben sie lediglich das Adjektiv dunkel", erklärt das Nobelpreiskomitee.

Deshalb, so fährt es fort, helfen uns die Erkenntnisse der Nobelpreisträger in Physik 2011 dabei, Geheimnisse eines Universums zu entschleiern, das der Wissenschaft zu 95 Prozent unbekannt ist. "Und alles ist wieder möglich."

Der Physik-Nobelpreis wird seit 1901 vergeben. Die erste Auszeichnung erhielt der deutsche Physiker Wilhelm Conrad Röntgen für die Entdeckung der "X-Strahlen", der später nach ihm benannten Röntgenstrahlen. Seit 1901 wurden 104 Physik-Nobelpreise vergeben. 47-mal ging die Auszeichnung an einen einzigen Preisträger, 57-mal teilten sich zwei oder drei Wissenschaftler den Preis.

Gestern waren die Träger des Medizin-Nobelpreises bekanntgegeben worden, morgen folgt der Nobelpreis für Chemie, übermorgen der Literatur-Nobelpreis.

Der mit besonderer Spannung erwartete Träger des Friedensnobelpreises wird am Freitag in Oslo verkündet. Den Abschluss bildet der Preis für Wirtschaftswissenschaften am Montag kommender Woche. Verliehen werden die Auszeichnungen am 10. Dezember.

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