Präsentationen am Physik-Dienstag der Nobelpreis-Woche sind nichts für Nervenschwache. Die halbe Welt schaut zu, wenn am Karolinska-Institut in Stockholm der Preis verkündet wird, da sollte man sich besser nicht blamieren. So gesehen muss man Ulf Danielsson großen Respekt zollen. Es gelang dem schwedischen Wissenschaftler nicht nur, sich vor laufender Kamera im Stehen eine Tasse Kaffee einzuschenken, um die mysteriöse Dunkle Energie zu symbolisieren, sondern auch noch Milch hineinzutun, welche für die kaum weniger ominöse Dunkle Materie stehen sollte, und schließlich Zucker, für den winzigen Anteil herkömmlicher Materie im Universum. Und all das, ohne sich alles auf den Schlips zu kippen. Der Kollege, der vor Jahren einen Bagel mitbrachte, um Prozesse in der Festkörperphysik zu erklären, kann definitiv einpacken.
Der Nobelpreis für Physik wird in diesem Jahr zweigeteilt. Eine Hälfte erhält der Kanadier James Peebles von der Princeton University für seine Arbeiten zur theoretischen Kosmologie. Mit der anderen, die an die beiden Genfer Professoren Michel Mayor und Didier Queloz geht, wird ein ganz anderes Thema gewürdigt: die Erforschung von Exoplaneten. Mit der Formulierung "für Beiträge zu unserem Verständnis der Evolution des Universums und dem Platz der Erde im Kosmos" hat das Preiskomitee es zwar halbwegs geschafft, einen Bogen vom einen zum anderen zu schlagen. Aber eigentlich haben beide Gebiete nicht viel gemein. Immerhin war für beide seit Langem ein Nobelpreis erwartet worden, speziell Exoplaneten wurden in diesem Jahr schon vorab als heißer Tipp gehandelt (was normalerweise ein sicheres Indiz ist, dass es etwas ganz anderes wird).
Aber zurück zum Kaffee: James Peebles war einer derjenigen Forscher, die in den Sechziger- und Siebzigerjahren aus der bis dahin etwas esoterischen Kosmologie eine exakte und enorm produktive Wissenschaft machten. Die entscheidende Zutat dazu war die sogenannte kosmische Hintergrundstrahlung, Nachhall des Urknalls, der den Kosmos bis heute erfüllt.
"Jungs, die sind uns zuvorgekommen"
Am 20. Mai 1964 hatten die beiden Physiker Arno Penzias und Robert Wilson mit einem Radioteleskop eine Art Rauschen aufgefangen, dass sie sich partout nicht erklären konnten. Erst als sie mit einem Team an der Princeton-Universität Kontakt aufnahmen, zu dem auch James Peebles gehörte, wurde klar, dass das Rauschen exakt die Hintergrundstrahlung war, die Peebles und seine Kollegen fast zeitgleich vorhergesagt hatten. "Jungs, die sind uns zuvorgekommen", soll Peebles' Kollege Robert Dicke nach dem ersten Telefonat gesagt haben. Der erste Nobelpreis für die Hintergrundstrahlung ging 1978 an Penzias und Wilson - erst heute, mehr als 20 Jahre nach Dickes Tod, wird Peebles für seinen Beitrag ausgezeichnet.
Zwar hatten noch andere mit einer solchen Strahlung gerechnet, aber Peebles' Arbeiten gehen weit darüber hinaus. So sollten kleine Dichteschwankungen im frühen, extrem heißen Universum zu einer Art Schallwellen führen, die ihren Abdruck in der Hintergrundstrahlung hinterlassen - und aus dem sich Information über das frühe Universum ablesen lässt.
"Es hat 30 Jahre gedauert, bis diese Schallwellen entdeckt wurden, aber jetzt lernen wir immer mehr daraus", sagt Eiichiro Komatsu vom Max-Planck-Institut für Astrophysik in Garching. "Es ist wie eine Miso-Suppe: Aus den Wellen in der Suppe kann man schließen, wie viel Misopaste darin ist, oder ob Tofu hineingegeben wurde." Er hat auf einen Nobelpreis für diese Arbeiten gewartet. Allerdings wundert er sich, dass sein Institutskollege Rashid Sunyaev nicht mit ausgezeichnet wurde, der parallel ähnliche Arbeit geleistet hat: "Jeder im Feld weiß, dass beide die Anerkennung verdienen, wir alle bauen auf ihrer Arbeit auf", sagt Komatsu. "Wir schauen in den Anfang des Universums hinein - und das Beste kommt erst noch."
Neues Verständnis vom Platz der Erde im Weltall
Und spätestens dann kommt auch wieder das Heißgetränk ins Spiel. Die Hintergrundstrahlung verrät auch viel über Kaffee, Milch und Zucker im Universum, also über seine seltsamen "dunklen" Bestandteile, von denen man noch immer nicht weiß, woraus sie bestehen und warum sie das All dominieren. Aber vielleicht lässt sich das mit den immer genaueren Messungen der Mikrowellenstrahlung und ihrer Strukturen aufklären.
Auch was den zweiten Teil des Preises angeht, dürfen sich zwei Wissenschaftler mit einigem Recht düpiert fühlen: Schon 1992 haben die Astronomen Dale Frail und Alexander Wolszczan die ersten extrasolaren Planeten entdeckt, ein Trio mit den schönen Namen Draugr, Poltergeist und Phobetor. Allerdings umkreisen diese einen pulsierenden Neutronenstern. Vermutlich wurden deshalb statt Frail und Wolszczan Mayor und Queloz ausgezeichnet. 1995 entdeckten sie bei einem Stern im Zeichen Pegasus ein Flackern. Es wurde durch einen Planeten hervorgerufen, der den Stern umkreist und ihn etwas wackeln lässt. Es war der erste Nachweis eines fremden Sonnen-Planeten-Systems.
Der damals entdeckte Planet ist recht unwirtlich: Groß wie Jupiter, brühend heiß, ein Jahr dauert nur wenige Erdentage. Trotzdem ließ die Entdeckung träumen - sind wir am Ende nicht allein im Universum? Bis heute wurden rund 4000 Exoplaneten bestätigt. Gut die Hälfte davon hat das Weltraum-Teleskop Kepler entdeckt, das zwischen 2009 und 2018 im Dienst war. Inzwischen gibt es diverse Methoden, Exoplaneten nachzuweisen; am erfolgreichsten war es bislang, die leichte Verdunkelung eines Sterns nachzuweisen, wenn ein Planet vorbeizieht.
Heute weiß man, dass es allein in der Milchstraße unzählige Exoplaneten geben dürfte, viele Milliarden davon sogar prinzipiell lebensfreundlich. Viele Forscher sind daher inzwischen überzeugt, dass irgendwann, irgendwo da draußen Leben, vielleicht sogar komplexes Leben entstanden ist. Ob Menschen es je beobachten werden, ist eine andere Frage. Aber das "Verständnis vom Platz der Erde im Kosmos", wie das Nobelpreiskomitee es nennt, haben diese Beobachtungen für immer verändert.