Physik-Nobelpreis 2010:Kohlenstoff in zwei Dimensionen

Der Nobelpreis für Physik geht an Andre Geim und Konstantin Novoselov für ihre "bahnbrechenden Experimente" mit Graphen. Geim ist schon Träger des "Anti-Nobel"-Preises für sein "Fliegender-Frosch"-Experiment und das unglaubliche Video dazu.

Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den in der Sowjetunion geborenen Niederländer Andre Geim und den britisch-russischen Physiker Konstantin Novoselov.

Geim Novoselov

Andre Geim (rechts) und Konstantin Novoselov erhalten den Physik-Nobelpreis 2010.

(Foto: AFP)

Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm mit. Die beiden Wissenschaftler erhalten die Auszeichnung "für bahnbrechende Experimente" mit dem Wundermaterial Graphen, einer einatomigen Lage aus Kohlenstoff.

Beide Forscher arbeiten derzeit in Großbritannien an der University of Manchester.

Der 51-jährige Geim und der 36-jährige Novoselov hätten "gezeigt, dass Kohlenstoff in so einer flachen Form außergewöhnliche Eigenschaften hat, die aus der beeindruckenden Welt der Quantenphysik kommen", erklärte das Nobelkomitee. Graphen könnte in der Elektronik eine große Rolle spielen: "Weil es praktisch transparent ist und ein guter Leiter, kann Graphen für die Herstellung von transparenten Touchscreens, Leuchtschildern und vielleicht auch Solarkollektoren eingesetzt werden."

"Wir wissen noch nicht, wofür man Graphen wirklich anwenden kann", so Geim. "Aber ich hoffe, dass es genauso unser Leben verändern kann wie Plastik."

2009 hatte Geim, der 1958 als Sohn russlanddeutscher Eltern in Sotschi zur Welt kam, für seine Entwicklung der ersten zweidimensionalen Kristalle aus Kohlenstoffatomen in Deutschland bereits den mit 750.000 Euro dotierten Körber-Preis für die Europäische Wissenschaft erhalten. Geim arbeitet seit Jahren eng mit dem 1974 ebenfalls in der Sowjetunion geborenen Konstantin Novoselov zusammen, der bei ihm seine Doktorarbeit gemacht hat.

Etwas vollständig Neues

Geim und Novoselov war es 2004 gelungen, Kristalle herzustellen, die lediglich aus einer Lage einzelner Kohlenstoffatome bestehen. Im Gegensatz zu allen anderen bekannten Materialien sind sie demnach tatsächlich zweidimensional.

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Künstlerische Darstellung einer Graphen-"Folie". Sie besteht aus einer Lage Kohlenstoffatome und ist damit das dünnste Material der Welt.

(Foto: AFP/University of Manchester)

Um diese Graphene herzustellen, entwickelten sie die "Tesafilm-Methode". Dabei wird ein gewöhnliches Klebeband auf einen Graphit-Block gedrückt und wieder abzogen. Die Graphitschicht, die dabei haften bleibt, wird erneut abgeklebt, bis nur noch winzige Kohlenstoff-Flocken am Klebeband hängen.

Graphen sei etwas vollständig Neues, erklärte die Akademie. "Es ist nicht nur das dünnste jemals hergestellte Material, es ist auch das stärkste. Als elektrischer Leiter ist es so gut wie Kupfer. Als Wärmeleiter ist es besser als alles bekannte Material. Es ist fast vollständig transparent und doch so dicht, das nicht einmal Helium es durchdringen kann."

Auf der Basis der Graphene haben die Wissenschaftler Prototypen winziger Transistoren entwickelt, die etwa zehn Mal kleiner sind als andere Prototypen - und die mit nur einem einzigen Elektron schalten. Da Graphen-Transistoren schneller sein sollen als gewöhnliche Silizium-Transistoren, könnte ihr Einsatz zu effizienteren Computern führen.

"Als der Anruf kam, dachte ich nur: Oh Shit, wie aufregend. Aber dann dachte ich mir, jetzt werde ich all die anderen schönen Preise nicht mehr bekommen", sagte Geim der Nachrichtenagentur dpa am Telefon. "Mein Plan für heute ist, zur Arbeit zu gehen und ein Paar Aufsätze fertig zu machen. Einige der Nobelpreis-Empfänger haben ja tatsächlich danach aufgehört zu arbeiten. Andere denken, sie haben ihn nur zufällig bekommen. Ich gehöre in keine der Kategorien, ich werde einfach nur weitermachen. Ich bin sehr stolz auf den Nobelpreis."

Die höchste Auszeichnung für Physiker ist mit umgerechnet rund einer Million Euro (10 Millionen Schwedischen Kronen) dotiert.

Im Jahr 2000 hatte Geim zusammen mit Michael Berry von der Bristol University in Großbritannien bereits eine Art satirische Alternative zum Nobelpreis erhalten, den Ignobel-Preis. Ausgezeichnet wurde Geim für seinen erfolgreichen Versuch, einen Frosch in einem Magnetfeld schweben zu lassen. Berrys leistete einen Beitrag zur Erklärung des physikalischen Hintergrund dieser "Levitation ohne Meditation".

(Ein Video des fliegenden Frosches findet man auf dieser Seite der Radboud Universiteit Nijmegen.)

Im vergangenen Jahr hatte sich der Chinese Charles Kao die Auszeichnung mit den US-Forschern Willard Boyle und George Smith geteilt. Sie waren für die schnelle Datenübertragung durch Glasfasern sowie für den lichtempfindlichen CCD-Chip ausgezeichnet worden, der heute in jeder Digitalkamera eingebaut ist. Am Montag war der Medizin-Nobelpreis dem Briten Robert Edwards für die Entwicklung der Reagenzglas-Befruchtung zugesprochen worden. Am Mittwoch werden die Träger des Chemie-Nobelpreises benannt. Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäß am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.

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