Physik:Mit Licht im Quadrat

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Die Erde eiert im Weltraum herum, ihre Drehachse verschiebt sich im Jahresrhythmus. Um zu messen, wie schnell dies geschieht, setzen deutsche Wissenschaftler Laser ein. Und zwar unter der Erde.

Christopher Schrader

Für einen Blick in den Weltraum geht Karl Ulrich Schreiber in den Keller. Fünf Meter nach unten, einen 20 Meter langen Gang entlang, durch fünf Kühlraumtüren in die Druckkabine, wo auf einer neun Tonnen schweren Platte aus Glaskeramik ein Lasersystem montiert ist.

Mit dessen roten Strahlen kann der Professor für Satelliten-Geodäsie an der Technischen Universität München nach eigenen Angaben messen, "wie schnell sich die Lage der Erdachse im Weltraum gerade verändert".

Seinem Team ist es zum ersten Mal gelungen, den Laser in ihrem Labor in Wettzell im Bayerischen Wald drei Monate lang stabil zu halten, um diese Frage zu beantworten. Sonst braucht man dafür Teleskope.

Die Information, wie die Erdachse liegt, macht Satellitennavigation erst richtig präzise. Deren Sender im All kreisen schließlich um eine Erde, die unter ihnen herumeiert. Ihre Drehachse verschiebt sich im Jahresrhythmus. Außerdem gibt es den sogenannten Chandler-Wobble mit einer Periode von 435 Tagen, bewirkt durch atmosphärische Strömungen und Meeresbewegungen.

Das führt dazu, dass die Erdachse an den Polen auf einem Kreis von etwa sechs Meter Radius herumwabert. Die Ungenauigkeit würde sich auf alle Positionsbestimmungen übertragen, wenn nicht ständig Korrekturwerte ermittelt würden.

Diese Faktoren werden zurzeit bestimmt, indem Radioteleskope Fixsterne anpeilen. Schreiber sucht seit Mitte der 1990er Jahre eine Alternative dazu. Sein Lasersystem konnte nun erstmals die im Weltall bestimmten Daten im Kellerlabor nachvollziehen ( Physical Review Letters, online).

Dazu schickt er den Strahl seines Lasers einmal links- und einmal rechtsherum um ein Quadrat von vier Meter Kantenlänge auf den Glaskeramiktisch. Die Lichtstrahlen sind zwar nur einen kurzen Moment unterwegs, aber währenddessen bewegt sich der Tisch unter ihnen einen Hauch weiter; für den einen Laserstrahl bedeutet das einen etwas längeren, für den anderen einen etwas kürzeren Weg.

Schließlich rotiert die Erde, im Bayerischen Wald bedeutet das eine Bewegung von 350 Meter pro Sekunde gen Osten. Der Laser ist nun so aufgebaut, dass sich seine Farbe den veränderten Wegen anpasst; diese Frequenzverschiebung zwischen den beiden Strahlen ist für die Forscher ein Maß dafür, wie schnell sich die Erde gerade dreht.

Um die Messung über Monate präzise zu halten, musste das Team vor allem äußere Bedingungen wie Temperatur und Luftdruck konstant halten. Die Glaskeramik haben die Forscher verwendet, weil sich das Material wie die Platte auf dem Küchenherd fast nicht ausdehnt, wenn es wärmer wird. "Wir schaffen es mittlerweile, die Rotation der Erde auf acht Stellen nach dem Komma genau zu bestimmen", sagt Schreiber. Allerdings liefern die Teleskope neun Stellen; diesen Vorsprung wollen die Forscher in fünf Jahren egalisiert haben.

Dann stehe der Erdvermessung eine neue Methode zur Verfügung, lobt Axel Nothnagel von der Universität Bonn. Er leitet dort eine Forschergruppe, die sich der präzisen Navigation im Weltall widmet. Lasersysteme wie das in Wettzell könnten dabei vor allem die kurzfristigen Schwankungen verfolgen. "Aber damit man ihren Daten glauben kann, war es nötig, einen der langfristigen Effekte wie den Chandler-Wobble nachzuweisen."

© SZ vom 20.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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