Physik:Dehnt sich das Universum schneller aus als gedacht?

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Wie schnell dehnt sich das Universum wirklich aus? (Foto: AFP)

Eine neue Messung könnte das Weltbild der Kosmologen ins Wanken bringen.

Von Marlene Weiß

67 Kilometer pro Sekunde, das klingt recht sportlich. Bei diesem Tempo würde man von München nach Los Angeles gut zwei Minuten brauchen. Es ist der bisher genaueste Messwert für die sogenannte Hubble-Konstante und bezeichnet die Geschwindigkeit, mit der Objekte in 3,26 Millionen Lichtjahren Entfernung von der Erde wegrasen, weil das Universum sich ausdehnt.

Und doch sagen immer mehr Forscher: Das kann nicht stimmen - es ist einfach zu langsam. Sollten sie recht behalten, könnte das ganze Weltbild der Kosmologen ins Wanken geraten.

Die Ergebnisse passen nicht recht zusammen. Ein Messfehler? Oder eine Sensation?

Die Hubble-Konstante wurde bisher vor allem aus der kosmischen Hintergrundstrahlung abgelesen, einem elektromagnetischen Nachglimmen des Urknalls, das bis heute das All erfüllt. Die besten Messungen hierzu liefert der europäische Planck-Satellit. Wenn das Universum ungefähr so funktioniert, wie die Physiker meinen, kann man aus diesem Echo die Hubble-Konstante berechnen und kommt etwa auf den genannten Wert von 67.

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Erst kürzlich hat jedoch eine Gruppe um den US-Nobelpreisträger Adam Riess versucht, die Ausdehnungsgeschwindigkeit des Kosmos auf anderem Weg zu bestimmen. Er kam auf: 73,2. Das passt schlecht zur Planck-Messung - und kann daher ein Hinweis sein, dass etwas Wichtiges an der bisherigen Vorstellung vom Kosmos schlicht nicht stimmt. Das aber wäre eine wissenschaftliche Sensation.

Nun sind solche Beobachtungen kompliziert, vieles kann schiefgehen. Aber jetzt hat eine weitere internationale Gruppe um Sherry Suyu von der TU München nachgemessen ( Monthly Notices of the Royal Astronomical Society). Sie nutzten dafür sogenannte Gravitationslinsen - Galaxien, die mit ihrer Schwerkraft die Lichtstrahlen anderer Objekte verbiegen. Das ergab einen ähnlich hohen Wert wie Riess' Messung.

Inzwischen sagt selbst George Efstathiou, Hubble-Experte vom Planck-Team: "Das ist interessant, und vielversprechend." Er verweist aber auf Unstimmigkeiten in der neuen Messung. Vielleicht gibt es Fehlerquellen, welche das Suyu-Team unterschätzt. Vorerst bleibt also offen, ob es sich um einen Messfehler handelt - oder doch um die kosmologische Entdeckung des Jahrhunderts.

© SZ vom 27.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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