Physik:Der Geist in der Maschine

Lesezeit: 2 Min.

Im Jahr 1871 erfand James Clerk Maxwell seinen berühmten Dämon für ein Gedankenexperiment. Jetzt wollen japanische Physiker ihn tatsächlich erschaffen haben.

Marlene Weiss

Wenn man heißen Kaffee in eine kalte Tasse gießt, wird der Kaffee kälter und die Tasse wärmer. Und wenn ein Schlüssel zu Boden fällt, gibt er beim Aufprall seine Bewegungsenergie als Wärme ab: Schlüssel und Boden heizen sich dabei ein wenig auf. Man stelle sich dagegen vor, der Kaffee würde plötzlich in der eiskalten Tasse kochen oder der Schlüssel sich spontan entscheiden, abzukühlen und wieder emporzuspringen: Es ginge viel drunter und drüber in der Welt.

Hier gewinnt Maxwells Dämon Energie aus der thermalen Bewegung der Partikel in Eschers berühmten Wasserfall. (Foto: Mabuchi Design Office/Yuki Akimoto)

Der Zweite Hauptsatz der Thermodynamik besagt, dass solche Prozesse unmöglich sind, bei denen sich Warm und Kalt spontan trennen. Damit wollte sich der Physiker James Clerk Maxwell 1871 indes nicht zufrieden geben und erdachte ein Gedankenexperiment, um das Gesetz zu widerlegen. Jetzt haben japanische Forscher die Überlegungen des Schotten experimentell umgesetzt ( Nature Physics, online).

Maxwell stellte sich ein Gefäß vor, das eine Wand in zwei Teile trennt. In einer Lücke in der Wand säße ein Dämon, der nur schnelle Moleküle nach links und langsame nach rechts passieren ließe. Nach und nach wären links immer mehr schnelle Moleküle, und da Geschwindigkeit Wärme entspricht, würde die linke Seite wärmer und die rechte kälter, in Verletzung des Zweiten Hauptsatzes. Lange stritten Forscher über Maxwells Trennteufel. Im Jahr 1929 fand der ungarische Physiker Leo Szilard einen Haken an der Zauberei: Er zeigte, dass der Dämon für die Geschwindigkeitsmessung Energie verbrauchen würde. Damit war Maxwells dämonischer Kühlheizkasten mit dem Zweiten Hauptsatz im Einklang.

Wissenschaftler um Shoichi Toyabe von der Chuo-Universität in Tokio haben jetzt die Probe aufs Exempel gemacht und einen Verwandten von Maxwells Dämon erschaffen. Mit einem elektrischen Feld erzeugten sie eine Art Wendeltreppe, in der sich ein Molekül bewegte, beobachtet von einer Kamera. Wenn es sich seines Energiegehaltes wegen eine Stufe im Feld empor bewegte, wurden die Rahmenbedingungen automatisch so modifiziert, dass dem Teilchen der Rückweg versperrt war. Damit ähnelt die Apparatur Maxwells Dämon, denn sie erlaubt dem Teilchen nur eine Bewegungsrichtung. So wandelt sie Information über die Bewegung des Teilchens in potenzielle Energie um - auch wenn sie dafür ein Vielfaches an Energie aufwendet.

Was das Experiment für die Thermodynamik bedeutet, ist indes umstritten: "Mit Maxwells Dämon hat das überhaupt nichts zu tun", sagt etwa Peter Hänggi von der Universität Augsburg. Anders als bei Maxwells Grundidee befinde sich die Maschine der Japaner in einem künstlichen Zustand. Die Gutachter bei Nature haben der Gruppe aus Tokio den Vergleich mit Maxwell jedoch durchgehen lassen.

© SZ vom 17.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: