Physik:Auf zur Gravitationswelle

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Das Satellitensystem Lisa soll im All nach Gravitationswellen suchen (Foto: dpa)

Gravitationswellen sind nachgewiesen, ist die Arbeit nun erledigt? Im Gegenteil: Das große Abenteuer beginnt erst.

Kommentar von Marlene Weiß

Die Geschichte der Wissenschaft ist auch eine grausame Geschichte des Zuspätkommens. Robert Falcon Scott wollte als erster den Südpol betreten - leider fand er dort die Flagge des Norwegers Roald Amundsen vor. Scott und seine Begleiter starben auf dem Rückweg. Oder Gerald Guralnik, Carl Hagen und Tom Kibble, die einst eine sensationelle Erweiterung der Teilchenphysik erdachten; blöd, dass Peter Higgs vor ihnen veröffentlichte, und dem Higgs-Teilchen seinen Namen geben durfte.

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Von Patrick Illinger

Dieser Tage könnte man meinen, es gebe einen neuen Eintrag auf der Liste der Enttäuschungen: das Projekt Lisa, ein Satelliten-System, das von 2034 an im All nach Gravitationswellen suchen soll. Seit Jahrzehnten ist es in Arbeit, und jetzt wurden die Wellen mit einer irdischen Anlage gemessen. Kann man sich das Geld für die Weltraumsonden nun sparen?

Nur mit Teleskopen ins Universum blicken? Das ist, als säße man gehörlos in der Oper

Von wegen. Lisa war nie spannender und wichtiger als jetzt. Die am Donnerstag präsentierte Messung der Schwingungen in der Raumzeit, ausgelöst durch die Kollision zweier Schwarzer Löcher im All, ist zwar schon für sich beeindruckend. Sie zeigt aber auch, wie hilflos Astrophysiker bislang waren. Schließlich konnten ihre Teleskope nur elektromagnetische Strahlung empfangen, Licht, Radiowellen, Röntgenstrahlen. Damit ein Universum zu untersuchen, das zum großen Teil aus dunkler Materie, dunkler Energie und eben Schwarzen Löchern besteht, Strukturen also, die keinerlei Licht aussenden - das ist, als säße man gehörlos in der Oper. Sicher auch schön, aber man verpasst doch viel.

Um die neue, dunkle Welt, die sich nun auftut, in aller Pracht studieren zu können, braucht man Instrumente. Irdische Detektoren wie der jetzt so gefeierte "Ligo" können nur Gravitationswellen mittlerer Frequenzen empfangen, die von vergleichsweise leichten Objekten ausgehen. Die Schwarzen Löcher mit insgesamt 65 Sonnenmassen, deren Ineinanderkrachen die nun entdeckten Wellen ausgelöst hat, sind galaktisch gesehen nicht beeindruckend. Wenn es richtig kracht im All, weil noch viel massereichere Objekte kollidieren, entstehen Wellen niedriger Frequenz, ein tiefes Brummen der Raumzeit. So tief, dass es für "Ligo" unhörbar ist. Dafür braucht man ein Netz aus Weltraum-Sonden wie eben Lisa.

Jetzt wäre daher ein guter Moment, das ewige Gezänk um Geld und Zuständigkeiten einzustellen und Lisa möglichst schnell startklar zu machen. Ja, das System ist teuer, schon die Basis-Version soll eine Milliarde Euro kosten. Aber die Internationale Raumstation ISS hat mehr als 100 Milliarden Euro verschlungen, bei bescheidenem Erkenntnisgewinn. Im Vergleich dazu ist Lisa jeden Cent wert.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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