Wenige Schritte vom Würzburger Dom entfernt steht ein im Kern barockes, denkmalgeschütztes Gebäudeensemble, das der Kongregation der Schwestern des Erlösers als Mutterhaus dient. Auch eine Klinik und soziale Einrichtungen unterhält die katholische Ordensgemeinschaft dort. Und sie erzeugt Strom: Ende vergangenen Jahres haben die Schwestern auf ihrem für süddeutsche Altstädte so charakteristischen rötlichen Ziegeldach eine Photovoltaik-Anlage in Betrieb genommen. Auf gut 1500 Quadratmeter Fläche erzeugt das Solarsystem genug Energie, um damit rechnerisch den Jahresbedarf von rund 40 Vier-Personen-Haushalten decken zu können.
Denkmalgeschützte Gebäude waren für die Solarenergie weitgehend tabu. Das hat sich in den letzten ein, zwei Jahren jedoch geändert. In vielen Bundesländern, darunter Bayern, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, haben die Regierungen – Denkmalschutz ist Ländersache – die zuständigen Behörden angewiesen, bei der Genehmigung von Solaranlagen auf Baudenkmälern liberaler zu verfahren. Die neue Praxis zeigt bereits Wirkung, etwa in Sachsen-Anhalt: Nach Erhebungen der Landesregierung haben die Denkmalschutzämter im ersten Quartal dieses Jahres nur gut ein Prozent der Anträge abgelehnt.
„Baudenkmäler haben einen geringen Anteil am gesamten Gebäudebestand. Sie sind also nur ein schwacher Hebel für den Ausbau der erneuerbaren Energien“, erklärt Judith Sandmeier, Referatsleiterin im Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege. Dem gegenüber stehe allerdings, dass auch die Eigentümer von denkmalgeschützten Gebäuden grundsätzlich die Möglichkeit haben müssten, mit einer Photovoltaik-Anlage Stromkosten und CO₂-Emissionen zu reduzieren. Sonst wären sie gegenüber anderen Immobilienbesitzern benachteiligt. „Deshalb ist es sinnvoll, dass die Genehmigungspraxis angepasst worden ist“, sagt Sandmeier.
Es gibt zwei Möglichkeiten, die Module einzufärben
Was aber nicht bedeutet, dass die Eigentümer nun freie Hand haben. Denn nach wie vor gilt der Grundsatz, dass die Photovoltaik Bausubstanz und Erscheinungsbild nicht erheblich beeinträchtigen darf. Wobei oft Ansichtssache ist, ob Module auf dem Dach das Bild lediglich verändern oder tatsächlich trüben. Die Wahrnehmung der Photovoltaik hat auch etwas mit Sehgewohnheiten zu tun, sagt Sandmeier: „Als Ende des 18. Jahrhunderts viele Wohnhäuser in den Städten mit Öfen ausgestattet wurden, wandelte sich in der Folge die Dachlandschaft, da überall Kamine gebaut wurden. Was für uns Teil des historischen Stadtbildes ist, war für die Menschen damals eine neue Erscheinung.“
Auffällig gerasterte, grau oder gar blau glänzende Module mit silbrigem Alurahmen, wie man sie auf vielen Einfamilienhäusern sieht, womöglich noch wild auf dem Dach angeordnet – wer für eine solche Anlage die Zustimmung der Denkmalschützer haben will, beißt nach wie vor auf Granit. Besser stehen die Chancen mit eingefärbten Modulen, wie es sie mittlerweile zum Beispiel in Ziegelrot oder Schiefergrau zu kaufen gibt, weil hier der Kontrast zum Dach nicht so augenfällig ist. Das zeigt sich zum Beispiel bei einer 1902 errichteten denkmalgeschützten Turnhalle in Eppingen im Kraichgau: Auf dem Dach wurden im vergangenen Jahr großflächig rötliche Module installiert.
Für das Einfärben gibt es zwei Möglichkeiten, sagt Teamleiter Jan-Bleicke Eggers vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE, der zu farbigen Modulen forscht. „Entweder bedruckt man das Frontglas farbig. Das gibt viel Flexibilität, hat aber den Nachteil, dass jeder gedruckte Punkt einen Schatten auf die Solarzellen wirft. Die Module erzeugen daher 20 bis 50 Prozent weniger Strom als solche mit Klarglas.“
Oder man versieht die Frontscheibe mit einer Schicht, die nur den Teil des Lichtspektrums reflektiert, der optisch gewünscht ist. „Soll ein Modul zum Beispiel in einem bestimmten Rotton erscheinen, wirft die Schicht lediglich die Strahlung zurück, die für diesen Eindruck benötigt wird. Der Rest trifft ungehindert auf die Solarzellen“, erläutert Eggers. Das Fraunhofer ISE hat Module dieser Art entwickelt, bei denen der Effizienzverlust gegenüber Standardprodukten unter zehn Prozent liegt.
Eine Alternative dazu sind Dachziegel, auf die Mini-Module in gleicher Färbung montiert sind. Solche Solarziegel sind etwa auf dem Würzburger Ordenshaus installiert, ebenso auf dem ehemaligen Amtsgericht in Künzelsau im Hohenlohekreis. „Einzelne Solarziegel sind oft dann sinnvoll, wenn oberste Priorität ist, das Erscheinungsbild des Gebäudes so wenig wie möglich zu verändern“, sagt Eggers.
Ein Nachteil sei allerdings, dass sie auf gleicher Fläche weniger Strom liefern als größere Module. „Solarzellen müssen aus Sicherheitsgründen Abstand zu den Kanten halten. Wenn nun wie bei den Ziegeln die Gesamtfläche klein ist, nehmen die nicht für die Stromerzeugung nutzbaren Flächen überproportional viel Platz ein“, erklärt der Fraunhofer-Forscher. Dazu komme, dass es mehr Arbeit macht, anstelle weniger großer Module viele kleine Ziegel zu verlegen. Auch würden mehr elektrische Stecker benötigt. „Dies erhöht die potenziellen Fehlerquellen“, sagt Eggers.
Doch auch die konventionelle Photovoltaik kann für historische Gebäude eine Option sein. „Es sind heute viele Module auf dem Markt, die mit ihrer schwarzen, homogenen Färbung und einem farblich angepassten Rahmen einem gestalterischen Anspruch gerecht werden“, erklärt Denkmalschützerin Sandmeier. Gerade auf Nebengebäuden, etwa Scheunen, oder auf kaum sichtbaren Dachflächen könnten sie eine gute Lösung sein.
Dabei sei aber auf deren Anordnung zu achten. „Sie sollten eine, maximal zwei geschlossene Flächen bilden, möglichst ohne Abtreppungen“, sagt Sandmeier. Sie rät Denkmal-Eigentümern, frühzeitig das Gespräch mit der Behörde zu suchen – und macht ihnen Mut: „Im Dialog findet sich fast immer eine Lösung.“