Pharmalobby:Unmoralische Angebote auf dem Campus

Geschenke, Events oder gesponserte Vorlesungen: Pharmafirmen umgarnen den medizinischen Nachwuchs. Die Unis schauen zu.

Von Christina Berndt

Pharmakonzerne wissen, dass Ärzte die Medikamente jener Firmen häufiger verschreiben, von denen sie regelmäßig Vertreterbesuch bekommen. Deshalb bemühen sich die Konzerne auch, möglichst schon angehende Ärzte auf ihre Seite zu bringen. Doch Deutschlands Medizinstudenten sind gegen die Avancen der Pharmaindustrie kaum gefeit. Das ist das Ergebnis einer Umfrage unter allen deutschen Medizindekanaten und rund 1100 Medizinstudenten, die Cora Koch und Klaus Lieb von der Universitätsklinik Mainz durchgeführt haben (GMS Zeitschrift für Medizinische Ausbildung, Bd. 31, Doc10, 2014). Nur zwei der 30 Universitäten, die auf die Anfrage antworteten, hatten Richtlinien erlassen, mit denen sie ihren Mitarbeitern und Studenten eine Anleitung zum Umgang mit Pharmaunternehmen an die Hand gaben. "Das ist eine bemerkenswert niedrige Zahl", sagt Lieb. "Wir hinken den USA hier zehn bis 15 Jahre hinterher."

Für Koch und Lieb überraschend: Die übrigen Dekanate hatten auch gar kein Interesse an einer Regelung. "Nur sechs von 30 Universitäten ohne Richtlinie gaben an, an einer Erarbeitung interessiert zu sein", schreiben Koch und Lieb. Die Mehrheit der Studenten wünschte sich dagegen sehr wohl mehr Informationen darüber, wie sie mit den Firmenvertretern umgehen sollten - ob nun in Form von Richtlinien oder auch Vorlesungen.

Charmeoffensive der Pharmaindustrie

Das sei auch dringend nötig, meinen Lieb und Koch. Denn die Studenten haben ihrer Ansicht nach in Sachen Pharmaindustrie durchaus blinde Flecken: Es sei auffällig gewesen, dass etwa drei Viertel der Studieren der Meinung waren, dass die Finanzierung der Lehre durch Pharmaunternehmen "keine gute Methode sei, die Lehre zu verbessern", sagt Lieb. Gleichzeitig waren aber ebenso viele Studierende der Meinung, dass Pharmavertretern der Zugang zu Medizinstudenten auf dem Campus nicht verboten werden solle.

"Möglicherweise halten die Studierenden objektiv gesehen einen Einfluss von Pharmaunternehmen in der Lehre für problematisch, halten sich dagegen aber subjektiv für in der Lage, die Interaktionen mit den Pharmavertretern so steuern zu können, dass sie glauben, nicht beeinflusst zu werden", schreiben Koch und Lieb. So forderten auch nur 22 Prozent der Studierenden, dass sich ihresgleichen nicht mit Pharmavertretern treffen sollen. Dabei haben Studien klar gezeigt, dass sich das Verschreibungsverhalten von Ärzten durch Besuche durch Industrievertreter verändert - mitunter zum Nachteil der Patienten.

Wie groß die Charmeoffensive der Pharmaindustrie im Medizinstudium ist, hatten Koch und Lieb erst im vergangenen Sommer ebenfalls in Form einer Umfrage gezeigt (Deutsches Ärzteblatt, Bd. 110, S. 584, 2013): Nur zwölf Prozent der Studenten haben demnach noch nie ein Geschenk von einer Pharmafirma angenommen oder eine gesponserte Veranstaltung besucht. 40 Prozent hielten den Inhalt solcher Veranstaltungen zwar für "verzerrt", fanden sie aber trotzdem informativ und hilfreich. Und fast die Hälfte war der Ansicht, dass es in Ordnung sei, durchaus auch teurere Geschenke anzunehmen, da dies nur einen minimalen Einfluss auf sie habe.

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