Pflanzenschutz:Wie eine Landwirtschaft ohne Glyphosat aussehen würde

Was, wenn Glyphosat verboten wird? Sicher ist eines: Es wird teuer.

Analyse von Hanno Charisius

Was wäre, wenn das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in Europa verboten wäre? "Das ist ziemlich trivial", sagt Klaus Gehring vom Institut für Pflanzenschutz der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Freising. "Davon würde die Welt nicht untergehen." Natürlich nicht. Es gibt eine Menge Anbauverfahren, die ohne das Pestizid auskommen oder sogar auf jede Chemie verzichten. Die ökologische Landwirtschaft macht es zum Teil vor, hat dabei aber ihre ganz eigenen Probleme und Preise, die bislang nicht massenkompatibel sind.

Auch konventionelle Landwirtschaft in Deutschland kann auf Glyphosat verzichten. Die Bauern hier kamen bis 2002 ja auch ohne aus, in dem Jahr wurde der Wirkstoff zum ersten Mal in Europa zugelassen.

"Es geht natürlich auch ohne", sagt Hella Kehlenbeck vom Julius-Kühn-Institut in Braunschweig, die im vergangenen Jahr mit Kollegen eine Folgenabschätzung für die Landwirtschaft bei Verzicht auf Glyphosat verfasst hat. "Es wird aber teurer." Im Sortiment der chemischen Unkrautbekämpfungsmittel gibt es keine gleichwertigen Alternativen. Also bleiben den Landwirten nur der Pflug oder Grubber und Egge, die den Boden oberflächlich aufreißen statt ihn wie ein Pflug tief umzugraben.

"Pflügen macht den Leuten Spaß, das weiß ich aus eigener Erfahrung", sagt Gehring. Es dauert nur sehr viel länger als eine Fahrt mit der Giftspritze, weil die einen Streifen von bis zu 30 Meter Breite abdecken kann, der Pflug aber viel schmaler ist, damit die Zugmaschine ihn wenigstens langsam durch den Boden ziehen kann. Große Betriebe müssten entsprechend mehr Personal anheuern, um die Mehrarbeit zu bewältigen. Pflügen oder grubbern kostet aber nicht nur mehr Zeit, sondern auch wesentlich mehr Sprit. "Mit einer Spritze verbraucht ein Trecker vielleicht zwei Liter Diesel pro Hektar", sagt Gehring. "Mit dem Pflug können es bis zu 25 Liter sein." Das sei nicht nur ein erheblicher Kostenfaktor für den Bauern, sondern auch schlecht für die Treibhausgasbilanz.

Meist wird das Herbizid benutzt, um ein abgeerntetes Feld auf die nächste Aussaat vorzubereiten

Auch weil es die Arbeit so sehr vereinfacht, setzen Bauern Glyphosat in Deutschland auf geschätzt 37 bis 40 Prozent des Ackerlandes ein. In den vergangenen Jahren wurden immer zwischen 5000 und 6000 Tonnen des Wirkstoffs in Deutschland verkauft. Das meiste davon wird zur "Stoppelbehandlung" eingesetzt, also um ein frisch abgeerntetes Feld von unerwünschtem Bewuchs zu befreien und für die nächste Aussaat vorzubereiten.

Bei Winterraps und Rüben ist der Einsatz besonders verbreitet und in vielen Betrieben "fester Bestandteil des Anbausystems", sagt Horst-Henning Steinmann vom Zentrum für Biodiversität und nachhaltige Landnutzung in Göttingen, der mit Kollegen den Gebrauch von Glyphosat in Deutschland erforscht hat. Müssten die Bauern auf dieses Hilfsmittel verzichten, werden die Erlösverluste je nach Standort auf zwischen sechs und 39 Prozent geschätzt. Hella Kehlenbeck fand bei ihrer Analyse durchaus auch Szenarien, in denen die Rückkehr zur mechanischen Unkrautbekämpfung kaum oder gar keine Nachteile bringt. Nur sei die Situation von Region zu Region so verschieden, dass die Folgen im Grunde auf jedem Acker eigens beurteilt werden müssten.

Vor einigen Jahren gab es noch Prämien für den Glyphosat-Einsatz

In der aktuellen Situation seien viele Landwirte verwirrt, sagt Horst-Henning Steinmann. "Vor einigen Jahren haben sie noch Prämien bekommen, wenn sie den Pflug in der Scheune gelassen und stattdessen Glyphosat gespritzt haben, um die Erosion ihrer Böden zu verhindern."

Denn den breiten Einsatz des Totalherbizids kann man auch als Erfolgsgeschichte des Bodenschutzes sehen. Durch die mechanische Bodenbearbeitung ist die nährstoffreiche obere Bodenschicht der Erosion durch Wind und Regenwasser ausgesetzt. Jedes Flurstück in Deutschland wird deswegen nach seinem Erosionsrisiko erfasst, in sehr gefährdeten Regionen dürfen Landwirte nicht pflügen. Wird statt dem Pflug Glyphosat gegen Unkraut eingesetzt, bleibt der Boden geschützt.

Für die Artenvielfalt auf dem Acker ist jede Form der Unkrautbekämpfung schädlich. Dem Hasen ist es schließlich egal, ob die Wildkräuter, die er gerne fressen würde, durch Glyphosat vernichtet wurden oder durch Pflug und Egge. Die höchste Biodiversität herrscht dort, wo keinerlei Unkrautbekämpfung stattfindet. Steinmann rechnet wie viele andere Experten damit, dass bei einem Wegfall von Glyphosat vermehrt andere Herbizide eingesetzt werden würden. Die seien nicht nur teurer, sondern oft auch weniger wirkungsvoll und hätten eher größere Nebenwirkungen.

Das sieht auch Klaus Gehring so. Zudem wandere Glyphosat anders als viele andere Mittel kaum ins Grundwasser. Auch die Abdrift bei Wind sei weniger problematisch. Insgesamt sei der "Umwelteingriff" von Glyphosat geringer. Auch für den Menschen sind einige andere Pflanzenschutzmittel sicher gefährlicher als Glyphosat. Für Steinmann zeigt der aktuelle Streit ums Glyphosat, dass sich Landwirte nicht zu sehr auf dieses eine Mittel verlassen sollten. Und er hofft, dass die Diskussion dazu führt, dass insgesamt weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden.

"Das Mittel ist nur eins von vielen Werkzeugen, sagt der Pflanzenschutzexperte Detlev Dölger von der Unternehmensberatung Hanse Agro. "Man muss Ackerbausysteme langfristig und ganzheitlich bewirtschaften. Es gibt genügend Methoden, die helfen, den Herbizideinsatz zu reduzieren." Hella Kehlenbeck vom Julius-Kühn-Institut würde Glyphosat als ackerbauliche Option gerne erhalten. Auf Länderebene sollten dann Wege gesucht werden, den Einsatz so weit wie möglich zu reduzieren. "Man muss in jedem Einzelfall schauen, was die beste Lösung auf dem Acker ist."

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