Süddeutsche Zeitung

Tiere:Der Beginn einer großen Freundschaft

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Wann und wo genau haben Menschen einst das heutige Hauspferd domestiziert? Die Geschichte ist erstaunlich kompliziert, doch nun gibt es eine Antwort.

Von Katrin Blawat

Jeder Beziehung tut es gut, wenn sie einen Gründungsmythos vorweisen kann. So kann man sich immer wieder erzählen, wie einst alles begonnen hat, und so die Verbindung stärken. In der Beziehung zwischen Mensch und Pferd allerdings hapert es nicht nur daran, dass einem der Partner solche Geschichten egal sein dürften. Vor allem fehlten bislang wesentliche Fakten darüber, wo die beiden vor einigen Jahrtausenden zusammengefunden haben. Dieses Rätsel sei nun gelöst, verkündet eine Gruppe um Ludovic Orlando von der Universität Toulouse im Fachmagazin Nature. Demnach stammt das heutige Hauspferd von Tieren aus der Region Pontokaspis im Westteil der Eurasischen Steppe ab. Dort wurden vor 4200 Jahren Pferde domestiziert, die dann innerhalb weniger Jahrhunderte in das gesamte Gebiet zwischen Atlantik und Mongolei gelangten.

Damit liefern die Forscher eines der letzten Puzzleteile einer ungewöhnlich komplizierten Domestikationsgeschichte. Denn die in der westlichen Eurasischen Steppe gezähmten Tiere waren keineswegs die ersten Pferde, die der Mensch zu Haustieren gemacht hatte. Schon 1300 Jahre früher wurden Pferde in der Botai-Kultur im Gebiet des heutigen Kasachstans gezähmt und als Fleisch- und Milchquelle sowie als Reittiere genutzt. Lange galten diese Tiere daher als die Vorfahren der heutigen Hauspferde. Dies jedoch zu Unrecht, wie Orlando und seine Kollegen vor einigen Jahren festgestellt haben. Die Linie der Botai-Hauspferde starb wieder aus, ehe sie sich weitflächig verbreiten konnte. Ähnlich erging es weiteren Hauspferde-Linien, die in Sibirien und auf der iberischen Halbinsel entstanden waren. Deren Verwandtschaftsverhältnisse zum heutigen Hauspferd verglich Orlando einmal mit der Beziehung zwischen Neandertaler und modernem Menschen.

Eine Gen-Mutation stärkte den Rücken der Tiere

Um nun die Pontokaspis als Ursprungsregion der heutigen Pferde identifizieren zu können, verglichen die Forscher die Genome von mehr als 200 Pferden, die vor Jahrtausenden gelebt hatten, sowie das Erbgut von zehn heutigen Pferden. Dabei kam ihnen zugute, dass sich früher die Tiere etwa in Anatolien, Europa, Zentralasien und in Sibirien genetisch recht stark voneinander unterschieden hatten. Wie schnell sich die domestizierten Pferde dann vom Westen der Eurasischen Steppe aus verbreitet und alle anderen Linien verdrängt haben, überraschte auch die Wissenschaftler. Zuerst gelangten die domestizierten Pferde nach Zentralasien, wenig später ins heutige Westeuropa.

Zu der raschen Ausbreitung dürften wesentlich zwei genetische Veränderungen beigetragen haben, die die Autoren ebenfalls beschreiben. Eine der Mutationen führte zu einer stabileren Rückenpartie. Vermutlich ermöglichte erst diese Genveränderung, Pferde überhaupt dauerhaft als Reittiere zu nutzen. Noch heute benötigen Pferde ein sorgfältiges Muskeltraining, damit ihnen ein Reiter keine Rückenschmerzen verursacht. Die andere Mutation ließ die Tiere weniger scheu und dem Menschen zugewandter werden. Das war wichtig, um als Fluchttier in Gefangenschaft nicht in ständiger Panik zu leben. So seien die Tiere schnell zu beliebten Transportmitteln und zu Statussymbolen geworden, schreiben die Autoren.

Wie Orlando zusammen mit Kollegen in früheren Studien gezeigt hat, dauerte es dann aber noch bis ins siebte Jahrhundert nach Christus, bis sich in Europa ein eleganterer Pferdetyp durchsetzte. Zudem förderten die frühen Züchter die Farbenvielfalt ihrer Tiere. Vielleicht entstand also schon in jener Zeit das Sprichwort, das heutige Pferdekäufer davor warnen soll, sich ein Tier allein nach der Fellfarbe auszusuchen, denn: "Ein gutes Pferd hat keine Farbe."

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