Pestizide:Die Werbung mit der Laus

Mit einer ganzseitigen Anzeige für ein Anti-Laus-Mittel schürt ein Arzneihersteller die Ängste besorgter Eltern. Doch die Werbung führt in die Irre, sagen Kritiker.

Werner Bartens

Sie sind harmlos, aber lästig. Kopfläuse, die Kindergärten oder Schulklassen heimsuchen, führen oft zu hektischen Aktionen der Eltern - wobei häufiges Haarewaschen nicht die Läuse vertreibt, sondern sie allenfalls sauberer werden lässt.

Pestizide: Mit dieser Anzeige (hier ein Ausschnitt) wirbt die Firma Dr. Wolff Arzneimittel für eines ihrer Produkte.

Mit dieser Anzeige (hier ein Ausschnitt) wirbt die Firma Dr. Wolff Arzneimittel für eines ihrer Produkte.

(Foto: Foto: Screenshot)

Auf dem Markt werden Dutzende Mittel gegen die peinigenden Insekten angeboten. Etliche sind von fragwürdiger Wirksamkeit, einige Produkte können der Laus jedoch zuverlässig den Garaus machen.

Das Mittel Etopril auf der Basis einer Silikon-ähnlichen Lösung war bisher nicht sehr verbreitet. Jetzt hat die Herstellerfirma, Dr. Wolff Arzneimittel, mit ganzseitigen Anzeigen sein Produkt bekannter machen wollen - und damit die Kritik des Fachmagazins Arznei-Telegramm auf sich gezogen.

"Wenn wir jede fragwürdige Aussage der Pharma-Werbung kommentieren, hätten wir zwar nichts anderes zu tun", sagt Wolfgang Becker-Brüser vom Arznei-Telegramm. Aber die Kampagne sei plakativ und desinformativ und provoziere daher besonders.

"Die Nutzenbelege für Etopril sind sehr dürftig", sagt Becker-Brüser. "In einer früheren Analyse hat sich gezeigt, dass das Mittel bei jedem Dritten versagt - zudem gibt es nur eine einzige vollständig veröffentlichte Studie zu dem Produkt." Wenn die Insekten wirklich erstickt würden, müsse die Erfolgsrate höher ausfallen.

Die Anzeige zielt auf die Ängste besorgter Eltern. Mit der Schlagzeile "Insektizide gehören nicht auf Kinderköpfe" warb die Firma zu Beginn dieser Woche in überregionalen Zeitungen für Etopril.

Obwohl sie als Anzeige gekennzeichnet war, tarnte sich die Reklame als "Offener Brief an die Gesundheitsministerin der Bundesrepublik Deutschland". Zur gleichen Zeit erhielten deutschlandweit Apotheken warnende Rundschreiben der Arzneifirma aus Bielefeld.

"Die Werbung führt in die Irre, denn Etopril ist auch ein Insektizid - es soll schließlich Insekten töten", sagt Becker-Brüser. Um Kopfläuse auszurotten, werden zumeist zwei Wirkmechanismen angewandt. Mittel, in denen sogenannte Pyrethroide enthalten sind, vergiften die Läuse. "Das Prinzip ist mir zwar auch nicht sympathisch, aber bisher wurden kaum Nebenwirkungen berichtet", sagt Becker-Brüser.

Andere Produkte wie Etopril verkleben den Läusen hingegen die Atemwege, so dass sie ersticken. Auch hier führt die Anzeige in die Irre; sie verschweigt Erfolge der Konkurrenz: Das Shampoo Mosquito kleistert den Läusen ebenfalls die Atemwege zu - allerdings mit Kokosöl statt Silikon-Abkömmlingen.

"Undenkbar, ja sogar skandalös"

Für jede Behandlung gilt: Man sollte sie nach einer Woche wiederholen, weil dann erst die Läuse aus den Nissen geschlüpft sind, denen vorher allenfalls ein Nissenkamm etwas anhaben konnte.

Die Werbung wurde angeblich aus Sorge um die Gesundheit der Bevölkerung gestartet. "Sie erfahren durch diesen Brief etwas, was Sie persönlich für undenkbar, ja sogar skandalös halten werden", heißt es in dem Schreiben.

Weiterhin steht in dem Anzeigentext: "Nur eine einzige Krankenkasse, die AOK Hannover, zeigt sich unseren Kindern gnädig"; die Kasse habe zugesagt, das Präparat zu erstatten. "Praktisch fällt das aber kaum ins Gewicht", sagt Klaus Altmann von der AOK Niedersachsen. "Im ganzen Bundesland haben wir vergangenes Jahr sechs Verordnungen von Etopril erstattet - aber Zigtausend Verordnungen anderer Mittel."

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