Perus Hauptstadt Lima:Eine Stadt schwimmt im Trockenen

Nets that trap moisture from fog are seen on the hillside of Villa Maria Del Triunfo in Lima

Im Hügelgebiet Lima Maria Poma sammeln 100 Netze im Winter bis zu 150 Kubikmeter Wasser pro Monat.

(Foto: Mariana Bazo/Reuters)

Lima zählt zu den Metropolen der Welt, die ganz wenig Wasser haben, aber ganz viel davon verbrauchen. Das kann nicht ewig gutgehen: Die Quellen der Stadt, weit oben in den Anden, könnten versiegen.

Von Michael Bauchmüller, Lima

Eigentlich müsste sich das Flussbett jetzt langsam füllen. Oben in den Bergen beginnt im Dezember die Regenzeit, aber bisher ist noch kaum ein Tropfen gefallen. Der Chillón, einer von Limas zwei Flüssen, ist trocken wie eine Staubpiste. Hoch über dem Fluss thront ein Wasserspeicher, jemand hat in großen Buchstaben draufgeschrieben: "Wasser ist Leben - schützen wir es." Gute Idee.

In Lima ist Wasser Leben für rund neun Millionen Menschen, aber Schutz findet es nicht. Im Schnitt 240 Liter verbraucht jeder Limeño am Tag, rund doppelt so viel wie ein Deutscher. Wasser wird illegal abgezweigt, es versickert aus undichten Leitungen, es wird verschwendet. In der Stadt, in der dieser Tage 194 Staaten über Klimaschutz, über Maßnahmen gegen schmelzende Gletscher und eine wärmere Welt verhandeln, ist Wasser ein knappes Gut.

Lima wächst unkontrolliert, eine Stadtplanung gibt es nicht

Im Sommer ist es trocken, im Winter ist es schwül - und Regen fällt so gut wie nie. Dabei mangelt es im Andenstaat Peru noch nicht einmal an Wasser, nur fließen 70 Prozent allen Wassers auf der Ostseite der Anden ab, Richtung Amazonas. 70 Prozent der Peruaner aber leben an der Pazifikküste, auf der anderen Seite, die meisten in Lima. Sie wohnen in der Wüste und hausen wie im Regenwald. Die Mittelstreifen der Straßen ziert vielerorts ein Rasen so dicht wie auf einem Golfplatz. Am Stadtrand ziehen Bauern Mais und Zwiebeln.

Einen Steinwurf vom trockenen Flussbett entfernt bringt Luis Alvarado Valencia seinen Generator zum Singen. 50 PS springen auf Knopfdruck an, sie pumpen das Grundwasser hoch. "So sparen wir eine Million Soles", sagt Valencia, Chef der Umweltbehörde im Stadtteil San Martin de Porres. Eine Million Soles, umgerechnet rund 270 000 Euro, hätte es gekostet, die Parks der Umgebung mit Wasser vom Staatskonzern Sedapal zu sprengen.

Schließlich soll es auch ein bisschen grün sein in der Wüstenstadt Lima. Und während drinnen die Pumpe arbeitet, läuft im Park nebenan der Rasensprenger, auf dem Bürgersteig stehen Pfützen. Trinken würde Valencia sein frisches Grundwasser aber nicht. Wegen der Kolibakterien.

Die meisten Toiletten in Lima enden in Sickergruben, und nicht in der Kanalisation. Als das Viertel vor 50 Jahren entstand, war an ein Abwassersystem nicht zu denken. Heute leben hier 700 000 Menschen, und es werden mehr. "Weil unten kein Platz ist, bauen die meisten auf dem Hügel", sagt Valencia, "aber informell."

"Informelles Wachstum" - das ist eines der großen Probleme Limas. Gleich oberhalb des Sprinkler-Parks liegt so ein Hügel, gerade quält sich ein Tanklaster den Hang hoch, mit Wasser. Denn Lima wächst unkontrolliert, eine Stadtplanung gibt es nicht. Quasi über Nacht bilden sich Siedlungen, und weil niemand die Menschen vertreiben will, werden die informellen Siedlungen auf kurz oder lang legalisiert. Nur Wasser gibt es dann noch nicht.

"Wir sind die vergessene Bevölkerung"

So beziehen fast zwei Millionen Menschen ihr Wasser so wie Danitza Cruz - aus einer Tonne vor der Haustür. Alle paar Tage wird sie aufgefüllt, der Preis dafür ist mitunter zehn Mal so hoch wie für Wasser aus der Leitung. "Wir sind die vergessene Bevölkerung", sagt Cruz, eine Krankenschwester.

Zu sechst lebt die Familie auf dem Berg. "Und wir zahlen hier oben noch mehr als alle anderen." Schließlich hat der Wasserlaster hier den weiteren Weg; je weiter, desto teurer. Auch das gehört zum Nebeneinander von Mangel und Überfluss: Die Ärmsten zahlen am meisten, bekommen aber das schlechtere Wasser.

So wird das Wasser- zum Gesundheitsproblem. Aus den Tanklastern kommt selten sauberes Wasser. Die Fässer sind mitunter secondhand, ehemalige Öl- oder Chemiefässer. Entwicklungshelfer, darunter auch Brot für die Welt, arbeiten mittlerweile daran, Häuser zumindest mit ordentlichen Tanks auszustatten. Andernorts drängen Neubürger die örtliche Verwaltung dazu, Wasserleitungen zu verlegen. Doch mit jedem Viertel, in dem sich die Lage bessert, entsteht andernorts ein neues.

Die Lage droht sich zu verschärfen

Dort aber, wo das Wasser aus der Leitung kommt, regiert die Verschwendung. Hier gibt es Wasser oft per Flatrate, es ist in der Miete inbegriffen. Anreize zum Sparen gibt es nicht. Mangel und Überfluss liegen oft nur ein paar Kilometer auseinander.

Die Lage droht sich verschärfen, für alle. Die Quellen Limas könnten versiegen, weit oben in den Anden. Dort haben Ingenieure in den Sechzigern einen Tunnel geschaffen. Er lenkt Wasser, das eigentlich zum Amazonas fließen würde, zur Hauptstadt um. Gedacht war das vor allem für Stromversorgung, die Wassermassen treiben Kraftwerke an. Inzwischen wäre aber auch die Wasserversorgung ohne den Tunnel unmöglich.

Er speist künstlich den Rimac, den anderen Fluss Limas. Nur kommt mittlerweile weniger Wasser unten raus, als oben in den Tunnel reinfließt. Ob der Tunnel beschädigt ist, lässt sich nicht kontrollieren. Denn dafür, völlig undenkbar, müsste die Wasserversorgung unterbrochen werden. Ein zweiter Tunnel ist in Planung. Solange muss Tunnel eins durchhalten.

Am trockenen Chillón sieht die Lage womöglich noch schlechter aus. Jenseits des oberirdischen Flusses, der von Dezember bis Februar die Regenzeit zur Küste bringt, gibt es einen unterirdischen. Er speist sich aus den Anden, auch aus Gletscherwasser. Doch sein wichtigster Gletscher, La Viuda, ist seit 1997 um ein Viertel geschrumpft. Schmilzt er ganz, käme nur noch an drei Monaten im Jahr Wasser aus dem Chillón - über den oberirdischen Flusslauf.

Außerhalb von Lima, kurz vor dem Meer, führt der Chillón seltsamerweise wieder Wasser. Ein schmales, stinkendes Rinnsal schlängelt sich zur See. Es ist Abwasser.

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