Zugegeben, die Anfänge waren eher bescheiden. Als der japanische Forscher Tsutomu Miyasaka im Jahr 2009 eine neuartige Solarzelle präsentierte, verwandelte sie nur 3,8 Prozent des Sonnenlichts in elektrische Leistung und machte nach wenigen Minuten schlapp. Handelsübliche Zellen haben einen Wirkungsgrad von rund 20 Prozent und halten mindestens 20 Jahre lang.
Aber Miyasakas Zellen wiesen eine Besonderheit auf: Sie enthielten nicht wie sonst üblich teure hochreine Siliziumkristalle, sondern Wasser-, Stick- und Kohlenstoff, dazu Blei und Jod in einer Kristallstruktur, die ihren Namen vom Mineral Perowskit hat. Spektakulär ist zudem, was nach den ersten Tests passierte. In wenigen Jahren konnten die Forscher den Wirkungsgrad praktisch verfünffachen. Seit Februar 2014 liegt die höchste zertifizierte Ausbeute bei knapp 18 Prozent, und Forscher der University of California wollen schon eine Perowskit-Zelle mit 19,3 Prozent zum Laufen gebracht haben. In der Branche wird fest damit gerechnet, noch in diesem Jahr die 20-Prozent-Marke zu knacken. Dann wäre in fünf Jahren geschafft, was bei Siliziumsolarzellen fast ein Vierteljahrhundert gedauert hat. Zudem könnten die Zellen um ein Vielfaches kostengünstiger sein als der Klassiker, denn die Rohstoffe sind in Unmengen auf der Erde verfügbar, und auch die Herstellungsmethoden sind nicht teuer. Das alles weckt große Hoffnungen.
"Wir sind am Anfang einer neuen Ära"
Auch die Stabilität der neuen Solarzellen konnte verbessert werden. Enthielt der Urtyp aus Japan noch eine Flüssigkeit, die den Perowskit-Kristall schnell auflöste und die Zelle zerstörte, sind die aktuellen Versionen in der Regel reine Festkörperzellen. Erst kürzlich präsentierten Michael Grätzel von der Polytechnischen Hochschule in Lausanne und Hongwei Han von der Huazhong-University in China die nach heutigem Stand wohl stabilste Zelle. Sie hat zwar mit 12,8 Prozent einen kleineren Wirkungsgrad als die Rekordzellen. "Aber sie übersteht mehr als 1000 Stunden Betrieb in Umgebungsluft und unter vollem Sonnenlicht", berichtete Han kürzlich in Science. Im Vergleich zu Siliziumsolarzellen, die ohne Probleme 20 Jahre halten, sind 1000 Stunden natürlich noch immer sehr wenig. Han räumt ein, dass die Zellen noch optimiert werden müssen. "Wir sind erst am Anfang einer neuen Ära", betont der Forscher.
Andreas Hinsch forscht am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg ebenfalls an Perowskit-Zellen und kennt die Probleme. "Perowskite sind Salze und reagieren auch auf Luftfeuchtigkeit empfindlich. Eine zusätzliche Kapselung in Glas oder Folien wird deshalb unumgänglich sein", sagt er. Ein zweites Manko der Zellen sei der Bleigehalt. Blei ist ein giftiges Schwermetall und könnte zum Beispiel bei Bränden in die Umwelt gelangen. Zinn wäre eine mögliche Alternative, senkt aber zurzeit noch den Wirkungsgrad des Kristallgemisches beträchtlich, wie britische Forscher der University of Oxford in der Aprilausgabe des Fachblatts Energy and Environmental Science berichteten. Verkapselungen und die Suche nach Alternativen zu Blei sind darum auch Themen eines Projekts des Bundesforschungsministeriums, das noch in diesem Jahr anlaufen soll und an dem neben verschiedenen Universitäten auch das ISE beteiligt ist.
Ungeklärt ist auch noch, ob sich die derzeit noch briefmarkenkleinen Laborzellen ohne allzu hohe Wirkungsgradverluste auf modultaugliche Quadratmetermaßstäbe hochskalieren lassen. Die Produktionsweisen in den verschiedenen Labors sind heute sehr unterschiedlich. Während Grätzel und Han gedruckte Zellen favorisieren, dampfen andere Arbeitsgruppen die Materialien im Vakuum auf Trägermaterialien. Außerdem sind verschiedene Perowskit-Varianten in der Diskussion - Perowskit bezeichnet lediglich eine typische Kristallstruktur, die mit ganz unterschiedlichen chemischen Elementen gefüllt werden kann. Die Perowskite werden zudem in der Regel noch mit dem Halbleiter Titandioxid kombiniert, der auch in Zahnpasta und Sonnencreme steckt. Er zieht die durch das Sonnenlicht angeregten Elektronen aus dem Perowskit ab und macht sie in einem äußeren Stromkreis verfügbar.
Doch ganz gleich, wie die Zellen hergestellt werden, sie können sehr dünn gehalten werden, weil sie viel Licht schlucken. "Eine nur einen halben Mikrometer dünne Schicht aus Perowskit-Kristallen absorbiert genauso viel Licht wie ein für konventionelle Solarzellen typischer 180 Mikrometer dicker Siliziumkristall", sagt Hinsch. Die hauchdünnen Zellen könnten deshalb nicht nur als massive Module, sondern auch in Folien zum Einsatz kommen und dort, wo eine gewisse Transparenz gewünscht ist, etwa auf Fensterscheiben. Der britische Physiker Henry Snaith von der Universität Oxford etwa will solche strom-produzierenden Gläser schon in ein paar Jahren über seine Firma Oxford Photovoltaics verkaufen.
Das neue Material ist außerdem ein perfekter Partner für das Silizium klassischer Solarzellen und könnte deren Wirkungsgrad deutlich steigern. Während Silizium vor allem im roten und infraroten Wellenlängenbereich des Sonnenspektrums optimal arbeitet, verwerten die neuen Perowskite auch grünes und blaues Licht sehr effektiv. Schichten beider Materialien könnten übereinander angeordnet werden. "Unsere Siliziumforscher haben schon leuchtende Augen bekommen und werden bald erste Tandemzellen testen", erzählt der ISE-Forscher.