Medizin:Teure Tipps von der Patientenberatung

Studie: Arztbriefe oft unverständlich

Guter Rat ist nicht immer gut, und manchmal auch zu teuer.

(Foto: Rolf Vennenbernd/dpa)

Der Bundesrechnungshof verdächtigt die Unabhängige Patientenberatung der Geldverschwendung. Obwohl mehr Geld floss, stieg die Zahl der Beratungen kaum.

Von Werner Bartens und Markus Grill

Wer unabhängigen medizinischen Rat sucht, findet sich schnell im Dschungel wieder. Auf Google gibt es Tipps von zweifelhafter Qualität, und Fachärzte empfehlen mitunter Selbstzahlerleistungen, die vor allem ihrem Geldbeutel dienen. Um einen Ausweg aus diesem Dilemma zu finden, hat der Bundestag vor Jahren beschlossen, eine "unabhängige Patientenberatung" einzurichten, finanziert von den Krankenkassen. Um den Auftrag beworben hatte sich auch der Firmenverbund Sanvartis, der den Zuschlag bekam und dessen Unabhängige Patientenberatung (UPD) seit 2016 jedes Jahr neun Millionen Euro erhält.

Nachdem die inhaltliche Qualität der dort erteilten medizinischen Ratschläge schon 2018 massiv kritisiert wurde, hat der Bundesrechnungshof nun das Geschäftsgebaren der UPD unter die Lupe genommen und einen 39-seitigen, vertraulichen Bericht erstellt, der dem Haushaltsausschluss des Bundestags übersandt wurde und Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR exklusiv vorliegt.

Darin führt der Rechnungshof auf, dass der Gesetzgeber von 2016 an die Förderung von 5,2 Millionen jährlich auf neun Millionen erhöhte und damit die Erwartung verband, dass auch die Zahl der Beratungen steigen würde. In dem Angebot, das Sanvartis eingereicht hatte, kündigte das Unternehmen an, die Zahl der Telefonberatungen von zuletzt 82 000 auf 200 000 pro Jahr zu erhöhen. Tatsächlich stieg die Zahl der Beratungsfälle bis 2019 insgesamt aber nur auf 128 000 Fälle. Zusammen mit den Vor-Ort-Beratungen "entsprach dies weniger als 60 Prozent der in Aussicht gestellten Beratungen durch die UPD", so die Rechnungsprüfer. Dennoch flossen Jahr für Jahr neun Millionen Euro von den Krankenkassen an die UPD.

Von 22500 in Aussicht gestellten Beratungsgesprächen, fanden 2019 lediglich 4310 statt

Auch die Vor-Ort-Beratungen blieben weit unter den in Aussicht gestellten Zahlen. Statt 22 500 persönlicher Beratungsgespräche, von denen im Bieterkonzert die Rede war, fanden 2019 lediglich 4310 Vor-Ort-Beratungen statt. Umgerechnet "kostete im Jahr 2018 eine Beratung durchschnittlich 140 Euro", kritisiert der Rechnungshof. "Auf keinem der angebotenen Zugangswege gelang es der UPD, die Beratungen auf den vereinbarten Zielwert hinzusteuern", heißt es in dem Bericht.

Auf Anfrage teilt die UPD mit, dass ihr der Bericht des Bundesrechnungshofes nicht vorliege, aber damalige "Annahmen zu den Beratungszahlen keine Leistungszusagen" gewesen seien. Schließlich habe die Einrichtung wenig Einfluss darauf, wie viele Menschen sich an sie wenden. In der Corona-Krise hätten sich die Anrufe aber erhöht. So sei der März 2020 mit 12 000 Beratungen zu Covid-19 der "bislang beratungsstärkste Monat der Patientenberatung" gewesen. Das ist bemerkenswert, denn unter "Gesundheit A-Z" finden sich bis heute weder die Schlagworte Corona noch Covid-19 oder Sars-CoV-2 auf der Homepage der UPD.

Mit Blick auf die vergangenen Jahre stellt der Bundesrechnungshof fest, "dass die UPD in keinem Monat die im Bieterkonzept angekündigte Zahl von Beratungskontakten erreichte." Weil die Zuwendungen aber gleich hoch blieben, "besaß die UPD kaum Anlass, die Beratungszahlen deutlich zu steigen", schreibt der Rechnungshof und kritisiert auch den Spitzenverband der Krankenkassen, da dieser "keine positiven oder negativen Anreize vertraglich vereinbart hatte". Der Rechnungshof empfiehlt daher "insbesondere sicherzustellen, dass die Fördermittel nicht mehr unabhängig von der Erfüllung vorheriger Leistungsversprechen gezahlt werden".

Der Bundesrechnungshof hat "Zweifel an einem optimalen Einsatz der Fördermittel"

Kritisch betrachten die Rechnungsprüfer auch, dass die UPD jedes Jahr 30 Prozent der Fördersumme an den Sanvartis-Unternehmensverband leite und damit diverse Dienstleistungen bezahle. So flossen im Jahr 2016 mehr als eine Million Euro für ein "Marketingbudget" an andere Sanvartisfirmen. Für den Rechnungshof nähren die Verflechtungen zwischen Sanvartis und der UPD "Zweifel an einem optimalen Einsatz der Fördermittel".

Auf Anfrage teilt die UPD mit, dass die Zahlung an Sanvartis sich "in einem sachgerechten Maße bewegt und die Kosten für Leistungen nicht überhöht sind". Gerade die hohen Zahlungen an andere Firmen der Sanvartis-Unternehmensallianz sind für den Rechnungshof geeignet, "den Eindruck fehlender Unabhängigkeit und Neutralität in der Beratung hervorzurufen", auch wenn die Rechnungsprüfer "keine tatsächlichen Anhaltspunkte" für eine nicht neutrale Beratung gefunden haben.

Die Rechnungsprüfer fordern Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, die UPD in der jetzigen Form abzuschaffen und bei der künftigen Vergabe einer unabhängigen Patientenberatung "drohende Risiken für die Reputation stärker zu berücksichtigen". Zudem sollte "die enge Bindung an ein gewinnorientiertes Wirtschaftsunternehmen vermieden werden, um schon dem Anschein fehlender Unabhängigkeit in der Öffentlichkeit entgegenzutreten". Stattdessen könnten die Aufgaben "einer schon bestehenden Einrichtung übertragen werden", etwa dem Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). "Auch eine neu zu errichtende Stiftung" sei denkbar. In einer Antwort hat Spahns Ministerium die Rechnungsprüfer allerdings wissen lassen, es bestehe "kein zwingender Anlass für gesetzliche Änderungen".

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