Patente auf Menschenaffen-Züchtungen:"Aus einem Mitgeschöpf wird eine Ware von ökonomischem Wert"

Drei neue Patente auf Schimpansen beunruhigen Tierschützer: Sie fürchten, Versuche an Menschenaffen könnten auf diese Weise legitimiert werden. Kann es sein, dass menschliche Zellen nicht patentierbar sind, Tiere aber sehr wohl? Und können Tiere überhaupt als Erfindung des Menschen gelten?

Christina Berndt

Es ist eine bessere Welt, die die Firma erschaffen will: "We're working to create a better world", wirbt sie auf ihrer Homepage. Und sie arbeitet nach eigenem Bekunden an "vorderster Front der biotechnologischen Revolution". Die Frontstellung haben dem US-Unternehmen Intrexon nun auch seine Kritiker bescheinigt; doch in puncto besserer Welt unterscheidet sich ihre Einschätzung stark. Jüngst hat sich Intrexon die Vermarktungsrechte für Tiere gesichert, die sie mit Hilfe der Gentechnik erschaffen hat. Die Patente schließen ausdrücklich Schimpansen ein. Ein gewerbliches Schutzrecht für den Kommerz mit Menschenaffen? Das ist bislang noch eine Seltenheit im internationalen Patentwesen.

Nicht eine bessere, sondern eine schlechtere Welt könnte die Folge sein, warnt Ruth Tippe von der Organisation "Kein Patent auf Leben", die gemeinsam mit dem Gen-ethischen Netzwerk, der Gesellschaft für ökologische Forschung und Testbiotech, einem unabhängigen Institut für Folgenabschätzung in der Biotechnologie, gegen die Schimpansen-Patente Einspruch beim Europäischen Patentamt (EPA) einlegt.

"Patente auf Menschenaffen weisen auf eine krasse Fehlentwicklung hin", sagt Tippe. Sie fürchtet, so könnten Anreize für mehr Versuche mit diesen hoch entwickelten Tieren geschaffen werden. Ausgerechnet mit Wesen also, für die Tierrechtler und Wissenschaftler gesetzlich verbriefte Grundrechte fordern, weil sie in ihrer Emotionalität, ihren kognitiven Fähigkeiten und ihrer Ich-Identität dem Menschen so sehr ähneln. Nach und nach würden mit Hilfe des Patentrechts die Hemmungen schwinden, diese Tiere in Versuchslabors einzusetzen, fürchtet Tippe: "Weil sie die Patente besitzen, finden die Unternehmen solche Versuche legitim."

Der Patentschutz sei kein Freibrief, sagt dagegen EPA-Sprecher Rainer Osterwalder. "Ein Patent bedeutet nicht, dass man Dinge tun darf, die das Gesetz verbietet. Es bedeutet nur, dass der Inhaber andere von dieser Anwendung ausschließen kann." Verfechter von Biopatenten betonen deshalb gerne, dass der Patentschutz bedenkliche Technologien eher eindämme als befördere, weil sie nur vom Inhaber des Patents oder etwaigen Lizenznehmern genutzt werden dürfen. Das kann Christoph Then von Testbiotech nicht beruhigen: "Unabhängig davon, wie einzelne Firmen ihre Patente verwerten wollen, zeigen diese eine extreme und besorgniserregende Entwicklung im Verhältnis zwischen Tier und Mensch auf", sagt er. "Aus einem Mitgeschöpf wird eine Ware von ökonomischem Wert."

Die Firma Intrexon arbeitet auf dem Gebiet der Synthetischen Biologie. Hier wird erschaffen, was die Natur nicht von alleine zustande gebracht hat. So baut Intrexon Gene von Insekten in Säugetiere ein, um deren Erbanlagen zu beeinflussen. Und dabei hat die Firma neuerdings auch Schimpansen im Blick. Mit ihren Patenten EP1456346 und EP1572862 sichert sie sich nicht nur die Methode, um die Tiere gentechnisch zu verändern, sondern hält auch die Verwertungsrechte am Endprodukt, einer leibhaftigen Kreatur. "Faktisch kommt dies einem Patent auf die Tiere selbst gleich", sagt Christoph Then.

Noch ein drittes Patent auf Schimpansen hat das EPA in diesem Jahr erteilt (EP1409646). Die US-Firma Altor Bioscience hat sich die Idee sichern lassen, wie sie Affen ein menschliches Immunsystem verpassen kann. Die von den Tieren produzierten menschlichen Antikörper sollen der medizinischen Forschung dienen.

Patente, die Menschenaffen einschließen, seien bisher eine Rarität, betont EPA-Sprecher Osterwalder: "Ungefähr 1000 Patente sind seit der Gründung des Europäischen Patentamts auf Tiere erteilt worden. Den weitaus größten Anteil machen dabei Nagetiere aus." Auch solche Patente aber erscheinen den Kritikern der "Kein Patent auf Leben"-Bewegung ausgesprochen fragwürdig. "Wenn Tiere zu technischen Erfindungen erklärt werden, ist grundsätzlich etwas falsch im System", sagt Christoph Then. "Die derzeitige Praxis des EPA macht Tiere zu Produktionsmaschinen."

Patente auf Tiere und Pflanzen sind erst denkbar geworden, seit es die Gen- und Biotechnologie gibt. Vor dieser Zeit galt die Annahme, Züchtungen ließen sich technisch nicht präzise nacharbeiten, sondern seien immer auch vom Zufall und den verwendeten Individuen abhängig. Weil Patentschutz aber eine Anleitung zum Nachbau voraussetzt, griff er bei Pflanzen und Tieren nicht. Gewächse wie die beliebte Kartoffel Linda erhielten stattdessen Sortenschutz, Tierzüchtungen aber nicht.

Doch die moderne Biotechnologie hat ihren eigenen Zoo erschaffen, in dem Kreaturen möglich sind, die sich mit einiger Expertise und präziser Anleitung in jedem Labor der Welt nachbauen lassen. Dass solche Wesen patentierbar sein müssten, hat sich zuerst der US-Chemiekonzern Dupont gedacht. Er reichte 1985 die weltweit ersten Patentanmeldungen auf ein Säugetier ein - und löste damit einen Aufschrei aus.

Gegenstand war die berühmt gewordene Krebsmaus - ein armes Wesen, das aufgrund von Gen-Veränderungen besonders leicht Tumore entwickelt. Erschaffen hatten die Maus Wissenschaftler der Harvard-Universität, indem sie menschliche Brustkrebsgene in Mäuseembryonen übertrugen. Unter dem Handelsnamen "OncoMouse" wollten sie ihre Kreatur kommerziell für Medikamententests vermarkten. Das wurde zwar ein Flop, brachte aber weltweit die Patentierung von Tieren ins Rollen.

Während die Krebsmaus in den USA, Japan und Australien schnell patentiert wurde, lehnte das Oberste Gericht Kanadas dies mit dem Hinweis ab, höhere Lebensformen könnten nicht Gegenstand einer Erfindung sein. Tierarten seien nicht patentierbar, entschied zunächst auch das EPA. Erst nach einigem Hin und Her erteilte es das Patent im Jahr 1992 zunächst vorläufig und bestätigte es 2004 (EP0169672).

Insgesamt 17 Einsprüche gegen die Krebsmaus wurden in der Zwischenzeit verhandelt. Dabei ging es auch um die grundsätzliche Frage: Können Pflanzen und Tiere überhaupt als eine Erfindung des Menschen gelten? Oder verstößt dies gegen die guten Sitten und die öffentliche Ordnung, was eine Patentierung nach dem Europäischen Patentübereinkommen verbieten würde? Diese Fragen beantwortete im Jahr 1998 eine eigens erstellte EU-Richtlinie zum "Rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen" (98/44 EC). "Damit wurde der rechtliche Rahmen weitgehend im Sinne der Interessen der Industrie verschoben", beklagt Ruth Tippe. Auf die Krebsmaus folgten bald Aids-Mäuse, Alzheimer-Mäuse, Diabetes-Mäuse, Herz-Kreislauf-Ratten und viele mehr. Sie alle sollten der Erprobung neuer Arzneimittel und Therapien dienen. Eine Hoffnung, die sie nur mäßig erfüllten. Zu komplex sind die Krankheiten, als dass sie sich so einfach an Mäusen studieren lassen.

Oft sind die erteilten Patente erstaunlich umfassend. Zum Beispiel das umstrittene Patent der australischen Firma Bionomics aus dem Jahr 2010 (EP 1852505): Es geht um Säugetiere, die gentechnisch so verändert werden, dass sie an Epilepsie erkranken. Bescheiden sind die Ansprüche nicht. "Ratten, Mäuse, Hamster, Meerschweinchen, Kaninchen, Hunde, Katzen, Ziegen, Schafe, Schweine und nicht-humane Primaten wie beispielsweise Affen und Schimpansen" listet die Patentschrift. Um sich ihre Erfindung so umfassend schützen zu lassen, muss die Firma gar nicht all diese Tiere erschaffen haben. Es genügt, wenn sie glaubhaft ausführt, dass dies mit der vorgestellten Methode bei allen erwähnten Arten möglich sei.

Die Ansprüche auf mehrere Tierarten sind aber nicht nur auf etwaige Gier, sondern auch auf die Kniffe des Patentrechts zurückzuführen. Denn eigentlich lassen sich auch mit der neuen EU-Richtlinie keine Tierrassen und Pflanzensorten patentieren. Dies ist nur dann möglich, "wenn die Anwendung der Erfindung technisch nicht auf eine Pflanzensorte oder Tierrasse beschränkt ist". Firmen sind also gezwungen, diesen Nachweis zu erbringen - und können dann häufig einen halben Zoo für sich beanspruchen. Der Ausschluss von Tierrassen aus der Patentierbarkeit hat somit keineswegs moralische, sondern nur die erwähnten historischen Gründe.

Und die Moral? Schert sich das Patentrecht, das embryonale Stammzellen und menschliche Keimzellen aus ethischen Gründen von der Patentierbarkeit ausgenommen hat, bei Tieren also nicht darum? "Doch", sagt EPA-Sprecher Osterwalder. Das Patentrecht lasse Patente auf Tiere, denen Leiden zugefügt wird, nur dann zu, wenn ein "wesentlicher medizinischer Nutzen" zu erwarten ist. Ob er sich an eine Ablehnung erinnern könne? In den 1990er-Jahren habe eine Firma eine Maus patentieren wollen, an der Mittel zur Bekämpfung von Haarausfall erprobt werden sollten, erzählt Osterwalder. "Diese Anmeldung wäre ziemlich sicher zurückgewiesen worden. Allerdings hat der Anmelder sie selbst zurückgenommen."

Kritiker der Biopatente aber monieren, dass das EPA Nutzen und Leid in der Praxis kaum einbezieht. Einmal abgesehen davon, dass der medizinische Nutzen im Frühstadium einer Erfindung kaum abzuschätzen ist, wie der Flop der Krebsmaus zeigt: Am Anfang wurde wenigstens noch nachgefragt. Zum Beispiel, als 1994 eine weitere Krebsmaus zum Patent angemeldet wurde (EP0298807). Das EPA wies die französische Firma Transgene darauf hin, dass der Nutzen für die Menschheit gegen das Leiden der Tiere abgewogen werden müsse. Die Firma erwiderte, es handle sich um medizinische Forschung; deshalb sei jede weitere Abwägung überflüssig. Das Patent wurde erteilt.

2001 erhielt das Klonschaf Dolly Patentschutz (EP0849990). Dass es beim Klonen zu zahlreichen Totgeburten, kranken und missgebildeten Tieren kommt, spielte bei der Prüfung keine Rolle. Ebenso wenig wurde das Leid berücksichtigt, als die kanadische Firma Seabright im Jahr 2001 ein Patent auf Lachse erhielt, die dank eines Wachstumsgens gigantische Ausmaße erreichten (EP0578653).

Derzeit streitet die Umweltschutzorganisation Greenpeace mit dem EPA um eine Kuh, die dank Gentechnik besonders viel Milch geben soll (EP1330552). Die "Turbokuh" leide, weil die erhöhte Milchmenge bei den ohnehin schon auf Hochleistung gezüchteten Tieren Euterentzündungen und Schmerzen verursache, monierte Greenpeace nach Erteilung des Patents im Jahr 2007. Ein medizinischer Nutzen sei ohnehin nicht zu erkennen. Dennoch wies das EPA den Einspruch im Mai 2010 zurück. Nun wird der Fall in zweiter Instanz vor der Beschwerdekammer des EPA verhandelt. Ein Termin steht noch nicht fest.

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