Patent-Prüfer wehren sich:Dubiose Boni am Europäischen Patentamt

Patentanträge zu genehmigen ist für das Patentamt finanziell vorteilhafter als sie abzulehnen. Boni könnten deshalb dazu verleiten, massenweise Patente zu erteilen - weshalb die Mitarbeiter eine solche Zahlung aus Überschüssen ihres Betriebs ablehnen.

Christopher Schrader

In einer teuren Stadt wie München ist eine Sonderzahlung von 4000 Euro netto auf das Jahresgehalt willkommen, sollte man meinen. Umso bemerkenswerter ist es, wenn Angestellte eine Bonuszahlung aus Überschüssen ihres Betriebs ablehnen. Die Mitarbeiter des in der bayerischen Hauptstadt angesiedelten Europäischen Patentamtes (EPA), vertreten durch ihre Gewerkschaft Suepo, tun ebendies, allerdings nicht aus Bescheidenheit, sondern aus Sorge um ihre Unabhängigkeit.

"Das Gehalt mit dem operationellen Ergebnis zu verknüpfen bringt die Belegschaft, besonders die Patentprüfer, in einen Interessenkonflikt", heißt es in einem internen Newsletter: "Patentanträge abzulehnen ist für die Finanzen des Amtes weniger vorteilhaft, als sie zu genehmigen." Mit anderen Worten: Boni könnten dazu verleiten, massenweise Patente zu erteilen.

Mit solchen Bedenken ist die Mitarbeiter-Vertretung nicht allein. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums sagt: "Wir halten das für problematisch." Die deutsche Delegation hatte mit wenigen anderen Ländern im Haushaltsausschuss des EPA gegen den Bonus gestimmt, war dort aber unterlegen. Auch im Verwaltungsrat, der über die Sonderzahlung entscheidet, hat Deutschland nur eine Stimme.

Wissenschaftler und externe Berater des Amtes sind entsetzt. Mitarbeiter dürften sich nicht bereichern, indem sie mehr Patente genehmigen, sagen Experten. Im besten Fall sei es eine "Selbstbelohnung des Patentamts für seine Existenz". Die Überschüsse des EPA von 89 Millionen Euro im Jahr 2011 sollten in besseren Service oder die Förderung der Anträge kleiner und mittelständischer Unternehmen investiert werden. Dass eine europäische Behörde Boni ausschütte, sei ohnehin "extrem ungewöhnlich", formuliert es mit vornehmer Zurückhaltung ein Kenner, der sich wie andere Experten und Mitarbeiter zum Stillschweigen verpflichtet hat und deswegen anonym bleiben möchte.

Die Beschlussvorlage CA/98/12 für den Verwaltungsrat, der das EPA kontrolliert, sieht aber einen ebensolchen Bonus vor; das Dokument liegt der Süddeutschen Zeitung vor. Fast ein Drittel der Überschüsse, gut 27 Millionen Euro, soll an die Mitarbeiter fließen. Ein weiteres Drittel soll dem milliardenschweren Pensionsfonds des Amtes zugutekommen, und der Rest dem Präsidenten des Amtes, dem Franzosen Benoît Battistelli, als Reserve zur Verfügung stehen.

Der Sprecher des EPA, Oswald Schröder, beharrt darauf, dass die Entscheidung über den Bonus noch nicht gefallen sei. Der Verwaltungsrat des Amtes müsse im Dezember noch darüber beraten. Eine Gefahr von Interessenkonflikten bei der Patentprüfung sieht dort offenbar niemand. Auf anderer Ebene erscheinen sie aber gewollt: Battistelli werde dem Rat die Vorlage zum Bonus nur dann vorlegen, so Schröder, wenn zwei Maßnahmenpakete verabschiedet würden, denen die Angestellten in einem paritätisch besetzten Kontrollgremium zustimmen müssen. Dabei geht es zum einen darum, die Produktivität zu erhöhen, zum anderen den Krankenstand der Behörde zu reduzieren.

Das könnte ein weiterer Grund für die Belegschaft sein, die Bonuspläne abzulehnen. Ihre hohen, von der deutschen Einkommenssteuer befreiten Gehälter wollen viele Angestellte der internationalen Organisation EPA nicht länger mit dem Verzicht auf gängige Arbeitnehmerrechte bezahlen.

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