Pandemie:Behörden uneins bei Bewertung von Astra Zeneca

Europäische Arzneimittelagentur räumt Risiko ein, empfiehlt den Impfstoff aber dennoch ohne Einschränkung. Großbritannien will ihn nur noch bei Menschen über 30 einsetzen.

Von Christina Kunkel und Angelika Slavik, Berlin, München

Über die Sicherheit des Corona-Vakzins des Herstellers Astra Zeneca herrscht Uneinigkeit zwischen verschiedenen Aufsichtsbehörden. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) räumte am Mittwoch erstmals einen möglichen Zusammenhang zwischen seltenen Fällen von speziellen Blutgerinnseln und der Impfung mit dem Präparat des britisch-schwedischen Herstellers Astra Zeneca ein. Trotzdem empfiehlt die Behörde das Vakzin weiterhin für alle Altersgruppen. "Der Nutzen ist immer noch weit größer als das Risiko", so EMA-Chefin Emer Cooke.

In Großbritannien dagegen gab die zuständige Arzneimittelbehörde MHRA - zeitgleich mit der Pressekonferenz der EMA - bekannt, dass man künftig keine unter 30-Jährigen mehr mit dem Vakzin von Astra Zeneca impfen werde. Das ist besonders bemerkenswert, weil das Präparat an der Universität Oxford mitentwickelt wurde und man in Großbritannien lange nichts von der Kritik an diesem Impfstoff hören wollte. Nach Angaben der MHRA sind in Großbritannien bislang 79 Fälle von seltenen Blutgerinnseln nach Impfungen mit dem Präparat aufgetreten. Dabei kam es zu 19 Todesfällen, die meisten dieser Fälle betrafen junge Menschen. Eine Studie der Uni Oxford, bei der das Vakzin an Kindern getestet werden sollte, wurde vorübergehend gestoppt.

Die EMA dagegen teilte in Amsterdam mit, es sei zwar ein möglicher Zusammenhang zwischen dem Wirkstoff und seltenen Thrombose-Fällen festgestellt worden. Diese Blutgerinnsel seien vor allem bei Frauen im Alter von unter 60 Jahren binnen zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten. Spezifische Risikofaktoren - wie Alter, Geschlecht oder bestimmte Vorerkrankungen - seien nach den bisherigen Erkenntnissen aber nicht bestätigt worden. Dass besonders junge Frauen von den Nebenwirkungen betroffen sind, könnte daran liegen, dass diese überproportional oft mit Astra Zeneca geimpft wurden.

Mittlerweile gibt es eine mögliche Erklärung, wie der Impfstoff die Blutgerinnsel auslöst

Mitte März hatte die EMA einen Zusammenhang zwischen seltenen Thrombosefällen und dem Impfstoff von Astra Zeneca noch verneint und das Vakzin als "sicher und wirksam" eingestuft. Daraufhin wurde der Impfstopp, den Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) als Konsequenz aus den Berichten über Nebenwirkungen verhängt hatte, wieder aufgehoben. Seit vergangener Woche werden in Deutschland aber nur noch Menschen über 60 Jahren uneingeschränkt mit Astra Zeneca geimpft. Jüngere sollen nur in Ausnahmefällen und nach Rücksprache mit ihrem Hausarzt mit diesem Vakzin geimpft werden.

Der Hersteller Astra Zeneca hatte immer wieder erklärt, Studien hätten keine erhöhte Thrombose-Gefahr gezeigt. Da die Nebenwirkung so selten auftritt, ist es nicht ungewöhnlich, dass sie im Rahmen der klinischen Studien nicht aufgefallen ist. Die Experten der EMA hatten nach eigenen Angaben für die jetzige Einschätzung 62 Fälle von Hirnvenenthrombosen untersucht. Einige verliefen tödlich. Das Paul-Ehrlich-Institut hatte vergangene Woche von 31 gemeldeten Fällen dieser Nebenwirkung in Deutschland berichtet, neun Menschen waren daran gestorben.

Auch eine mögliche Erklärung, wie der Impfstoff die Blutgerinnsel auslöst, gibt es mittlerweile: Laut Forschern um den Transfusionsmediziner Andreas Greinacher von der Universität Greifswald könnte ein Bestandteil des Astra-Zeneca-Impfstoffs zusammen mit einem natürlicherweise im Blut vorkommenden Protein die Bildung spezifischer Antikörper auslösen. Diese aktivieren wiederum Blutplättchen, es bildet sich ein Blutgerinnsel.

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