Süddeutsche Zeitung

Palmölboom in Afrika:Todbringende Ölpalmen

Plantagen im Primatenrevier: Der Palmölboom erreicht Afrika und bedroht Menschenaffen und Waldelefanten. Gibt es die Chance auf einen nachhaltigen Anbau?

Von Gunther Willinger

Schimpansen wissen Ölpalmen durchaus zu schätzen. Sie bauen Schlafnester in ihre Kronen, naschen den süßen Pflanzensaft oder fressen die ölhaltigen Früchte. Aber obwohl die Ölpalme aus der afrikanischen Heimat der Menschenaffen stammt, droht sie Schimpansen, Gorillas und Bonobos zum Verhängnis zu werden. Palmöl ist in Lebensmitteln wie Margarine, Erdnussbutter und Chips, aber auch in Kosmetika und in Biodiesel enthalten. Der Bedarf der Industrie steigt seit Jahren rapide an, die Weltproduktion liegt momentan bei mehr als 50 Millionen Tonnen. Noch stammen gut 80 Prozent davon aus Indonesien und Malaysia. Aber das könnte sich bald ändern: Im tropischen Afrika werden derzeit riesige Flächen mit Ölpalmen bepflanzt.

Forscher um den Ökologen Serge Wich von der Universität Liverpool warnt in Current Biology davor, dass Schimpansen, Bonobos und Gorillas das gleiche Schicksal ereilen könnte wie ihre asiatischen Vettern, die Orang-Utans, die große Teile ihres Lebensraums verloren haben. In ihrer Studie verglich das Team Kartendaten von Menschenaffenvorkommen, Schutzgebieten, geeigneten Anbauregionen und bereits ausgewiesenen Plantagen. 40 Prozent der ungeschützten Habitate liegen demnach in potenziellen Palmölgebieten. "Wir respektieren das Recht der Bevölkerung auf wirtschaftliche Entwicklung und Arbeitsplätze, aber wir müssen auch nach Wegen suchen, die Menschenaffen und deren Ökosysteme zu erhalten", sagt Wich.

Gabun achtet jetzt auch auf den Schutz von Waldelefanten

Viele Staaten West- und Zentralafrikas haben das wirtschaftliche Potenzial der Palmölproduktion erkannt und weisen Gebiete für Plantagen aus. Im Juni 2013 trafen sich produzierende Länder zur ersten afrikanischen Palmölkonferenz in der Elfenbeinküste. In ihrer "Abidjan Declaration" bekräftigen sie, "ein günstiges Klima für Investitionen" schaffen zu wollen. Ende 2013 bekam der US-Investor Herakles Capital 20 000 Hektar im Regenwald Kameruns genehmigt. Nach Recherchen der britischen Rainforest Foundation sollen künftig allein im Kongobecken über 500 000 Hektar neue Plantagen entstehen.

Der Leipziger Biodiversitätsforscher Hjalmar Kühl, Mitautor der Studie, betont: "Unsere Daten zeigen, dass es ausreichend Flächen gibt, auf denen Ölpalmen angebaut werden können, ohne Menschenaffen zu gefährden. Aber es muss auch die Bereitschaft bei Firmen und Behörden geben, um die Entwicklung in die richtigen Bahnen zu lenken." Die Forscher empfehlen, die Kriterien des Runden Tisches für nachhaltige Palmölproduktion (RSPO) anzuwenden. Regierungen sollten Genehmigungen für Plantagen nur an Firmen vergeben, die sich den Grundsätzen des RSPO verpflichtet haben. Zudem könnten sie Steueranreize schaffen, damit Plantagen auf bereits entwaldeten Flächen angelegt werden. Bestehende Plantagen könnten durch besseres Management und Saatgut effektiver produzieren. Schon heute gibt es in Afrika 4,5 Millionen Hektar Ölpalmenplantagen - 80 Prozent davon kleiner als 100 Hektar. Von Investitionen in diese kleinen und mittleren Betriebe würde auch die Landbevölkerung stärker profitieren.

"Industrielle Produktion von Palmöl und Erhalt von Biodiversität sind im gleichen Gebiet nicht kompatibel. Es geht eher darum, die Ausweisung der Flächen so zu planen, dass sie außerhalb der ökologisch wertvollsten Gebiete liegen", sagt Kühl. Das Regenwaldland Gabun hat schon mal gezeigt, wie das funktionieren könnte: Dort dienten der staatlichen Wildschutzbehörde die Verbreitungskarten der bedrohten Waldelefanten als Planungsgrundlage. Das hilft nicht nur dem Wald, sondern auch den Plantagenbetreibern, denn die Elefanten fressen hin und wieder Palmfrüchte und richten dabei Schäden auf der Plantage an.

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Quelle:
SZ vom 11.07.2014
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