Süddeutsche Zeitung

Palmöl:Das Wohlfühl-Zertifikat

Das erste Palmöl mit Ökosiegel kommt nach Europa, umweltfreundlich ist es deshalb noch lange nicht.

Hanno Charisius

In der vergangenen Woche wurde in Rotterdam die erste Lieferung von ökologisch produziertem Palmöl gefeiert. Es gab frohe Reden, Aufbruchstimmung, Journalisten waren auch da. Die Organisation "Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl" (RSPO), die das weltweit erste Ökosiegel für Palmöl aufgelegt hat, hatte zur Feier geladen. Nur der Star des Tages, das Schiff mit 500 Tonnen "nachhaltig produziertem" Pflanzenöl, steckte zu dieser Zeit noch im Suezkanal.

Am heutigen Samstag nun soll das Schiff endlich einlaufen. Doch die Partystimmung ist längst verflogen. Denn pünktlich zur ersten Lieferung vertrieb ausgerechnet Greenpeace die gute Laune. In einem Gutachten legte die Umweltschutzorganisation dar, dass die Lieferung des malaysischen Palmölproduzenten United Plantation keineswegs den RSPO-Kriterien für nachhaltig hergestelltes Palmöl genüge. United Plantation zerstöre weiterhin Regenwald und lege illegal Torfböden trocken, um stattdessen Palmen für die Ölgewinnung anzupflanzen.

"Es muss noch eine Menge geregelt werden"

Das Unternehmen verstoße damit eindeutig gegen die RSPO-Kriterien, sagt Corinna Hölzel, Waldexpertin bei Greenpeace. "Wenn sich schon die erste Lieferung als Täuschung entpuppt, muss schleunigst gegengesteuert werden." Ihrer Auffassung nach sollte erst wieder über Zertifizierungen geredet werden, wenn "kein Wald mehr für Plantagen geopfert wird".

RSPO setzt sich aus Plantagenbesitzern, Händlern, Abnehmerfirmen sowie Verbraucher- und Umweltschutzorganisationen wie der Umweltstiftung WWF zusammen. Deren Vertreterin Astrid Deilmann hat eine einfache Erklärung für den Greenpeace-Vorwurf: Plantagenbesitzer könnten Mitglied bei RSPO werden, auch wenn sie ihre Plantagen noch nicht vollständig auf nachhaltige Produktion umgestellt hätten. Und Mitglieder bekämen das Nachhaltigkeits-Siegel, auch ohne zertifiziert zu sein.

In dieser Phase könnten "schwarze Schafe" unter den Palmöl-Produzenten das Zertifikat somit auch für nicht nachhaltig erzeugtes Palmöl verwenden, wie dies offenbar im aktuellen Fall geschehen ist. Das betrachtet auch Deilmann als Problem: Solches Vorgehen drohe die Glaubwürdigkeit des Siegels in Frage zu stellen, sagt sie: "Es muss noch eine Menge geregelt werden. Wir sind jetzt mitten drin, ein gescheites System mit verlässlichen Kontrollen zu etablieren."

Zu kostbar für Treibstoff

Ungeachtet der Probleme hält Deilmann ein Ökosiegel für unerlässlich - "weil der Bedarf an Palmöl so hoch ist und stetig steigt". Mit 30 Millionen Tonnen pro Jahr ist das Öl aus den Früchten der Ölpalme inzwischen das wichtigste Pflanzenöl der Welt.

Es wird sowohl in der Lebensmittel- als auch in der Kosmetikindustrie verwendet; in jüngster Zeit hat die westliche Welt es zudem als Energiequelle entdeckt. Seit 1990 hat sich die Anbaufläche für Ölpalmen auf zwölf Millionen Hektar verdoppelt, in den nächsten 20 Jahren wird sie sich nach Schätzungen der Welternährungsorganisation FAO noch einmal verdoppeln.

Auch Deutschland fördert die Stromproduktion aus nachwachsenden Rohstoffen. Mit Inkrafttreten des Erneuerbare-Energien-Gesetzes EEG zum Jahreswechsel soll die Subvention von Palmölkraftwerken allerdings gestoppt werden, solange nicht abgesichert ist, dass durch die Verwendung von Palmöl anstelle von fossilen Brennstoffen nachweislich CO2 eingespart wird.

Nach Berechnungen des WWF bringt Palmöl nur dann einen Vorteil für das Weltklima, wenn die Ölpalmen auf Brachland angebaut werden und kein Regenwald für sie gerodet wird. Denn Brandrodungen verursachen ein Fünftel der weltweiten CO2-Emissionen. "Nicht nachhaltig produziertes Palmöl schadet mehr, als es nützt", sagt Tobias Dünow vom Bundesumweltministerium.

Nach Berechnungen des WWF wäre es möglich, die Hälfte der heutigen weltweiten Palmölproduktion bis zum Jahr 2012 auf nachhaltige Produktion umzustellen. Ob sich aber auch der weiterhin steigende Bedarf noch umweltfreundlich decken lasse, bezweifelt die Bereichsleiterin Agrarpolitik des WWF, Martina Fleckenstein. Auch deshalb dürfe Palmöl nicht als Treibstoff oder Heizmittel verwendet werden. "Dafür ist es einfach zu kostbar."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.259334
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.11.2008/gba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.